Tichys Einblick
Ampel lässt Pistorius im Regen stehen

Nicht einmal für neue Offiziersstellen reicht das Geld

Der Bundeswehr fehlt es eigentlich an allem. Von der „Kriegstüchtigkeit“, die Boris Pistorius anpeilt, ist sie meilenweit entfernt. Jetzt muss sein Ministerium zugeben, dass möglicherweise keine neuen Offiziersplanstellen geschaffen werden können. Das „Sondervermögen“ ist bereits verjubelt.

picture alliance/dpa | Soeren Stache

Der Bundeswehr fehlt es an vielem, eigentlich an allem. Woran es konkret materiell mangelt, ist seit Antritt der „Ampel“-Regierung nicht mehr so ganz transparent, denn die „Berichte zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme“ wurden abgeschafft; sie werden nur noch dem Parlament als VS-Sache (Verschlusssache) zugestellt. Man kommt der materiellen Lage der Bundeswehr aber nahe, wenn man den 176 Seiten starken „Bericht der Wehrbeauftragten“ vom 12. März 2024 für das Jahr 2023 liest, und wenn man vor allem die markanten Äußerungen des obersten Heeresgenerals, Alfons Mais, verfolgt.

Ende 2023 sagte er: „Ich komme leider nicht umhin erneut zu betonen, dass die materielle Ausstattung des Heeres gemessen an seinen Aufträgen ab 2025 aktuell mehr als grenzwertig und trotz aller positiver Anstrengungen auch zukünftig unterfinanziert ist … Die Decke ist einfach zu dünn.“ Konkret sei das Heer über alle Materialkategorien, „von A wie Artilleriegeschütz bis Z wie Zeltbahn“, nur zu 60 Prozent ausgestattet. Die Aufstellung eines neuen Großverbandes (Mais meint die Aufstellung der „Brigade Litauen“) ohne zusätzliche Investitionen wird diese Quote auf 55 Prozent absinken lassen.“

All das hat mit Geld zu tun. Aber davon bekommt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei weitem nicht genug, um die Bundeswehr „kriegstüchtig“ (Formulierung von Pistorius) zu machen. Der Regeletat für Verteidigung dümpelt seit 2022 bei rund 50 Milliarden pro Jahr. 2022: 50,6 Milliarden – 2023: 50,12 Milliarden – 2024: 51,95 Milliarden. Für 2025 wollte Pistorius ein Plus von 6,7 Milliarden, es wird wohl nur ein Plus von 1,2 Milliarden Euro geben. Nicht eingerechnet sind hier die in absehbarer Zeit zu Ende gehenden 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“.

Schrumpfender Personalkörper

Das Ganze hat nicht nur Auswirkungen auf die materielle Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, sondern auf die Personalausstattung. Auch hier kommt die Bundeswehr nicht voran. Eigentlich sollte sie aktuell eine Stärke von 183.000 „Mann“ und bis 2031 eine Stärke von 203.000 „Mann“ haben. Pistorius hat sich dafür ein neues Modell einer freiwilligen Wehrpflicht nach schwedischem Vorbild ausgedacht.

183.000 „Mann“: Selbst das ist eine geschönte Zahl. Derzeit (Stand: 30. Juni 2024) sind es 179.694. Davon Soldaten auf Zeit: 112.644 – Berufssoldaten: 57.352 – Freiwillige Wehrdienstleistende: 9.481 – Freiwillige Wehrdienstleistende im Heimatschutz: 217.

Insgesamt sind unter den Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit (SaZ) 37.591 Offiziere (ohne Anwärter). Und hier kneift es ganz aktuell. Konkret: Das Verteidigungsministerium musste einräumen, dass Weiterverpflichtungsanträge von SaZ-Offizieren ab 2025 nicht mehr positiv beschieden werden können. „Die Vorgaben des Bundesministeriums der Finanzen sehen für kein Ressort neue Planstellen in 2025 vor“, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Das kann bedeuten, dass auslaufende Verträge dann nicht verlängert und keine neuen Offiziers-Planstellen geschaffen werden könnten, es also zum Verlust erfahrener Soldaten kommen kann. Dies müsste im Etat ansonsten entsprechend mit Planstellen hinterlegt werden. Durch den geplanten Zuwachs auf 203.000 Soldaten müssten aber eigentlich auch die Offiziersstellen mehr werden.

Welche Auswirkungen das auf die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber hat, kann man nicht nur erahnen. Anders ausgedrückt: Die Aufstockung der Bundeswehr auf 203.000 Mann kann man eigentlich jetzt schon vergessen. Das wirft Fragen auf: Lässt die „Ampel“ inkl. Kanzler Scholz den seit Monaten beliebtesten Bundesminister, Boris Pistorius, auflaufen? Will Finanzminister Christian Lindner (FDP) den starken Maxe spielen? Ausgerechnet Lindner, der zwar als junger Mann den Wehrdienst verweigert hat, auf besonderen Wegen es dann zum Major der Reserve gebracht hat und sich gern als Freund der Bundeswehr inszeniert? Die „Ampel“, so schreibt die NZZ am 5. Juli zu Recht, wird jedenfalls zum Sicherheitsrisiko.

„2 Prozent“ als „Fake“ – die 100 Milliarden „Sondervermögengehen zu Ende

Ist Rettung mit Hilfe der 100 Milliarden Sondervermögen denkbar? Wird Deutschland das große Versprechen von Kanzler Scholz vom 27. Februar 2022 realisieren? Er hatte in seiner „Zeitenwende“-Rede gesagt: „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“

Nein, Deutschland erreicht dieses Ziel im Moment nur mittels kreativer Buchführung und ab 2027 wohl gar nicht mehr. Kreative Buchführung heißt: Die „Ampel“ subsummiert jetzt schon Soldatenpensionen, Zinskosten, Gelder für die militärische Unterstützung der Ukraine und verteidigungsrelevante Ausgaben anderer Ministerien unter die „2 Prozent“ Verteidigungsausgaben, um die Nato-Vorgabe zu erreichen. Nun will die „Ampel“ auch Investitionen in Straßen und Brücken (die von Panzern befahren werden können) stärker in die „2 Prozent“ einbeziehen.

Die 100 Milliarden „Sondervermögen“ sind jedenfalls weitestgehend ausgegeben oder verbindlich verplant. Im „19. Rüstungsbericht“ des Verteidigungsministeriums vom 30. April 2024 heißt es: Der Ausgaben-/Bindungsstand des 100-Milliarden-„Sondervermögens“ umfasst mittlerweile 86,6 Milliarden. Mit anderen Worten: Ab 2027, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist, muss der Verteidigungsetat auf 80 Milliarden Euro steigen, wenn – kreative Buchführung hin oder her – das 2-Prozent-Ziel eingehalten werden soll. Wer weiß, wer dann in der Bundesregierung das Sagen hat.


 

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