Israels gezielte Tötungen dschihadistischer Terrorführer sind notwendige Maßnahmen der Strafverfolgung. Zu diesem Ergebnis kommt der inzwischen emeritierte Rechtsexperte für Internationales Recht und Politik-Wissenschaftler, Louis René Beres (79), der an der US-amerikanischen Purdue Universität geforscht und gelehrt hat in einem Beitrag für die Jerusalem Post.
Nach bindendem Völkerrecht sei Terrorismus ein ungeheuerliches Verbrechen, das am besten verhindert und immer bestraft werden sollte. Die einschlägigen Regeln bekräftigen das Grundprinzip „Kein Verbrechen ohne Strafe“. Sie finden sich in der Londoner Charta vom 8. August 1945, dem Gründungsdokument des Nürnberger Tribunals nach dem Zweiten Weltkrieg, das in diesen Tagen vor 79 Jahren unterzeichnet wurde.
Beres widerspricht damit – ohne ihn namentlich zu erwähnen – dem deutschen Islam-Wissenschaftler Michael Lüders (65), der zum Thema ägyptisches Kino promoviert wurde und gerne unaufgefordert auch in Youtube – zuletzt am 2. August – seine Sichtweise zu aktuellen Vorgängen im Nahen Osten verbreitet. Dabei meint er: „die Ursünde begann mit der Gründung des Staates Israel 1948“ und übernimmt dabei mit „Nakba“ die Formulierung der arabischen Erzfeinde Israels. Kein Wort davon, dass die Mehrheit der Vereinten Nationen der Neugründung des Judenstaates damals zugestimmt hat und die arabischen Nachbarstaaten Israel den Krieg erklärten.
Unerwähnt bleibt bei Lüders auch das humanistisch geprägte Votum in der israelischen Unabhängigkeitserklärung vom 15. Mai 1948: (Der Staat) Israel wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.
Nichts, auch nur annähernd Vergleichbares, ist in arabischen Gründungserklärungen oder gar in den Chartas der Terror-Organisation zu lesen. Michael Lüders zitiert lieber das prominente PLO-Mitglied, Hanan Ashrawi, die Israel einen „Schurkenstaat“ nennt und fügt hinzu. „Es fällt schwer ihr zu widersprechen.“ Israels Schläge gegen Terroristenführer wie Ismail Hanija nennt er uneingeschränkt „Morde“ und unterstellt dem bedrohten Land, dass es mit „Verlogenheit“ den „Armageddon“ wolle, „ein für alle mal aufräumen“. Lüders, der von 2015 bis 2022 auch Vorsitzender der Deutsch-Arabischen Gesellschaft war, beweist damit sehr viel Meinung, aber einen großen Mangel an Wissen oder er unterdrückt es. Jedenfalls strotzen seine Beiträge von Weglassen von Fakten, die vor allem notorischen Israelfeinden und Judenhassern munden.
Im Gegensatz zu Lüders argumentiert Louis René Beres auf der Basis des Rechts, ohne das es „keine vernünftigen Vergleiche zwischen dem vorsätzlichen Massenmord an israelischen Zivilisten durch dschihadistische Terrorführer und dem unbeabsichtigten Schaden geben kann, den Palästinenser in Gaza erleiden“. Rechtlich gesehen liege die Verantwortung für solche Schäden direkt beim „perfiden“ Verhalten von Hamas, Hisbollah, Fatah und ihrem Terror-Patron Iran, die ihre eigenen Völker als „menschliche Schutzschilde“ missbrauchen. Nach dem spezifischen Kriegsrecht – manchmal auch humanitäres Völkerrecht genannt – müssten Aufständische auch dann mit „gerechten Mitteln“ kämpfen, wenn der Einsatz von Gewalt durch Aufständische auf einer vertretbaren „gerechten Sache“ beruhe.
Lüders bezeichnet es als „völlig absurd, Hisbollah als Terror-Organisation zu framen, die vom Iran gesteuert wird“. In seinen Augen ist sie eine autochthone, tief verwurzelte Massenbewegung, die die Unterstützung weiter Teile der Schiiten genieße. Der politische Flügel sei eine der stärksten Fraktionen im libanesischen Parlament und damit will Lüders den Eindruck erwecken, als ob das irgendetwas mit Demokratie oder dem freien Willen des libanesischen Volkes zu tun habe.
Beres nähert sich dem Thema von der juristischen Seite: Normalerweise ist ein Mord – wie Terrorismus – nach internationalem Recht ein Verbrechen. Unter bestimmten Umständen sind gezielte Tötungen von Terroristenführern jedoch lebensrettende Ausdrucksformen „dezentralisierter“ Strafverfolgung. Da es im Weltrechtssystem keine Durchsetzungsmöglichkeit durch eine zentrale Regierung gibt (dieses System existiert in dem, was die Philosophen einen „Naturzustand“ nennen), ist „Selbsthilfe“ für einen geschädigten Staat oft die einzige plausible Abhilfe.
Lüders konstruiert dagegen in seinen Beiträgen einen Zusammenhang zwischen dem Massaker der Terroristen und der ungelösten Palästina-Frage. Beres antwortet darauf: Am 7. Oktober 2023 beteiligten sich palästinensische Hamas-Angreifer an der Massenvergewaltigung und -verstümmelung von Männern sowie Frauen und Kindern. Diese tollwütige Kriminalität war nicht auf irgendwelche rechtlichen Ziele der nationalen Selbstbestimmung ausgerichtet. Im Gegenteil, sie war auffallend instinktiv und offensichtlich ursprünglich … Dschihadistische Angreifer fügen ihren mörderischen Ideologien im Allgemeinen unnötig zerstörerische Effekte hinzu. Unter dem Strich umfassen diese entweihenden Ideologien das Opferschlachten von „Ungläubigen“.
In dem Beitrag des Jura-Professors heißt es weiter: Das Bemerkenswerteste an Israels gezielter Tötung terroristischer Führer ist nicht ihre rechtliche Zulässigkeit. Es ist die weit verbreitete Gleichgültigkeit der Weltgemeinschaft gegenüber dem elementaren Überlebensrecht eines bedrängten Ministaates … Was die dschihadistischen Terroristen betrifft, die so lustvoll wahllos Schaden zufügen, so ist ihre rituelle Gewalt eine Form religiöser Opferung, die darauf abzielt, offen mutwillige Kriminelle in „Märtyrer“ zu verwandeln … Wenn Israel beschlossen hätte, nicht auf Anführer dschihadistischer Terrorgruppen wie Hanija zu zielen, um die Gefühle „zivilisierter Nationen“ nicht zu verletzen, hätte es auch das Schicksal vieler unschuldiger Menschen besiegelt.
Obwohl es möglicherweise kontraintuitiv erscheint, stellt der Wissenschaftler fest, ist Israels gezielte Tötung dschihadistischer Mörder für die Gerechtigkeit unverzichtbar. Statt eine launische oder unaufrichtige Verurteilung auszusprechen, sollten die Staats- und Regierungschefs auf der ganzen Welt endlich verstehen, dass Israels Kampf gegen Terrorverbrechen ein Kampf im Namen aller Nationen ist. So bedauerlich dies auch sein mag, in absehbarer Zukunft wird das internationale Strafrecht weiterhin auf die beunruhigende Dynamik nationaler Selbsthilfe angewiesen sein.