Ich treffe Jens S., selbständiger Diplom-Ingenieur. Sein Leben hat sich seit Corona dramatisch verändert. Bis dahin war er politisch zurückhaltend und eher „mainstream“. Er fuhr ein Elektroauto, „weil die sich gut fahren lassen und natürlich um die Welt zu retten“.
Doch mit Corona brach sein bisheriges Weltbild zusammen. „Ich habe früh gemerkt, dass da etwas faul ist: mit der medial ausgerufenen pestähnlichen Pandemie. Mit der Angstmache auf allen Kanälen. Mit den Lockdowns und Schulschließungen. Mit den Stoffmasken gegen einen vermeintlichen Todfeind in Nano-Größe. Mit der hochgepriesenen Rettung durch eine angebliche Impfung.“
Jens S. ist konsequent in den Protest gegangen. Über 80 Ermittlungsverfahren und eine ganze Menge Gerichtsverhandlungen hat ihm das eingebracht:
- In der Lockdown-Zeit hat er Demonstrationen gegen die Ausgangssperren eingeklagt und organisiert; ein Höhepunkt war zum 1. Mai die „Disco-Mahnwache gegen die faschistischen Ausgangssperren“;
- „Hausfriedensbruch“, weil er auf dem Bürgersteig vor der Grundschule seines Kindes mit dem Plakat stand „Masken machen krank“;
- „Hausfriedensbruch“, weil er auf dem Bürgersteig vor dem Gymnasium seines Kindes Infomaterial gegen die Impfung verteilte;
- Ordnungsstrafen, weil er bei Spaziergängen unter freiem Himmel die Maske nicht trug und Abstände nicht einhielt;
- „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“; in dem Fall ist er allerdings in höherer Instanz freigesprochen worden;
- Verurteilung wegen „Beleidigung“, weil er einer Schulleitung wegen strikter Einhaltung der Corona-Maßnahmen „Kindeswohlgefährdung“ nachgesagt hatte;
- Verfahren wegen „Volksverhetzung“;
- Unannehmlichkeiten mit der SCHUFA wegen Nichtbezahlung von Strafen.
Jens S. ist „all in“ gegangen. Das hatte einen hohen Preis für seinen Beruf; die Stadt als Vermieterin kündigte ihm sein Büro. Und auch sein Familienleben ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Für Frau und Kinder ist es nicht leicht, plötzlich mit einem Hardcore-Aktivisten unter einem Dach zu wohnen.
Warum hat er sich so in diesen Kampf hinein begeben gegen eine Politik, die von der großen Mehrheit gewählt wurde?
Das Gefühl, unbedingt etwas tun zu müssen gegen den in seinen Augen „Wahnsinn“? Gerechtigkeitssinn im Angesicht greifbaren Unrechts? Der neue Freundeskreis der aktiven Corona-Maßnahmenkritiker, der eine Eigendynamik in Richtung Protest in sich hatte? Tiefe seelische Verletzungen durch vielfache Abwertungen, gegen die er sich zur Wehr setzen wollte? Der Wunsch, die Kontrolle gegen einen übergriffigen Staat zu behalten?
Jens S. hat seine positive Sicht bewahrt: „Für mich ist es ein großer Erfolg all unserer Aufklärungsarbeit und Aktionen, dass sich in Deutschland über 20 Prozent nicht haben impfen lassen, obwohl der gesellschaftliche Druck enorm war. Und geboostert sind noch weniger. Unser Engagement hat sich gelohnt. Wir haben etwas bewegt.“
Für mich stellen sich drei Fragenkomplexe, die über das Persönliche weit hinausgehen:
Erstens: Wie findet man das richtige Maß für sein persönliches politisches Engagement? Bringt es etwas, wenn man zu viel tut und sich im Kampf gegen Windmühlen aufreibt und dabei einen hohen persönlichen Preis zahlen muss? Aber die andere Frage ist ebenso wichtig: Wo drücke ich mich mit faulen Argumenten gegen einen notwendigen Protest, wenn mir das Grundgesetz am Herzen liegt?
Und überhaupt: Sollte man sich bei politischen Dingen nicht besser einer politischen Partei anschließen, um dann langfristig, geordnet und gemeinsam reflektiert für seine Anliegen zu kämpfen?
Es ist so schwer, bei diesen Fragen seinen individuell-passenden Weg zu finden.
Zweitens: Wenn sich jetzt an immer mehr Stellen herausstellt, dass Jens S. mit einigen Sichtweisen einen besseren Riecher und bessere Argumente hatte als die Regierenden, was hat das für Konsequenzen für ihn? Schulden Repräsentanten der Gesellschaft ihm ein öffentliches Entgegenkommen? Oder ist es naiv von mir zu glauben, dass Menschen, über die öffentlich ein vernichtendes Ketzerurteil ausgesprochen wurde, rehabilitiert werden können?
Drittens: Wenn die Gesellschaft bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgegeben und abgespalten hat, wie lange gedenkt sie das zu tun? Soll das jetzt immer so bleiben? Was tut die Gesellschaft, um Querdenker wieder ins Boot zu holen? Müssen sich lediglich die Querdenker bewegen? Sieht die Mehrheit nicht, dass sie sich mit einer Verketzerung erheblicher Bevölkerungsteile selber schädigt?
Jens S. hat noch Gerichtsverfahren vor sich. „Einige Querdenker halten mich für naiv. Aber ich habe noch Vertrauen in die Justiz. Seitdem ich in einem großen Prozess in höherer Instanz freigesprochen wurde, habe ich neuen Mut gewonnen. Ich hoffe immer noch auf Gerechtigkeit.“
Gut, wenn es noch Brücken zueinander gibt.