Tichys Einblick
Mehr Freiheit wagen!

Was wird aus der Meinungs-, der Rede- und der Zitierfreiheit?

Nicht nur die Bundesregierung, auch die Kirche wirbt schon längst für die Einschränkung der Redefreiheit. Sie will die Grenzen des Sagbaren enger ziehen; wie eng genau, weiß man noch nicht. Ein Blick in das evangelische Magazin „Chrismon“ genügt, um die Richtung zu erkennen. Von Konrad Adam

Vor Jahren, als sich die roten Pazifisten noch nicht in grüne Bellizisten verwandelt hatten, war einer von ihnen auf die Idee gekommen, seinen Wagen mit der Parole „Soldaten sind Mörder“ zu verzieren. Einige  Bundeswehrsoldaten, die geschworen hatten, ihr Leben für diesen Staat aufs Spiel zu setzen, fühlten sich dadurch beleidigt und zogen vors Bundesverfassungsgericht, um Ehren- oder Rechtsschutz zu erlangen. Das Gericht war aber schon damals auf der Höhe der Zeit und wies die Klagen ab. Die hässliche Parole sei doch nur ein Zitat, meinten die Richter, Zitieren aber sei erlaubt, gedeckt durch das Grundrecht auf Redefreiheit.

Damals bot das Zitat also noch Schutz; heute wahrscheinlich nicht mehr. Denn inzwischen ist das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft getreten, das uns erlaubt, einmal im Jahr das Geschlecht zu wechseln. Demnächst wird dies Gesetz auch noch verschärft, und dann wird es gefährlich, weil dann ein paar neue, bislang unbekannte Tatbestände wie das misgendern oder das deadnaming greifen werden. Jeder/jede/jedes von uns, der/die/das  nicht so denkt und fühlt und spricht und anspricht, wie der/die/das es sich wünscht oder vorstellt, hat dann mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 Euro zu rechnen. Was wird dann aus der Meinungs-, der Rede- und der Zitierfreiheit?

Auf den bekannten Büchmann, einen Klassiker mit hoher Auflage, sollte man dann nicht mehr schwören. Denn der bietet zwar einen riesigen Zitatenschatz „zum Nachschlagen von Adam und Eva bis Lasst hundert Blumen blühen“, verstößt aber schon auf den ersten Seiten gegen das neue Gesetz, indem er sich zur Zweigeschlechtlichkeit bekennt. Aus der Schöpfungsgeschichte zitiert er den bekannten Satz, dass Gott den Menschen „ihm zum Bilde“ erschuf, ergänzt um die fatalen Worte: „und er schuf sie als Mann und Frau“.

Die Evangelische Kirche hat sich von dieser Aussage schon längst distanziert, sie will von Zweigeschlechtlichkeit nichts wissen und schreibt statt Gott inzwischen G*tt w/m/d. Aber reicht das? Was, wenn ein Pfarrer seinen Luther, das Alte Testament oder den Büchmann beim Wort nimmt? Wenn er den verworfenen Satz in voller Länge zitiert und dabei von Volker Beck, Tessa Ganserer, Sven Lehmann oder sonst einem Mitglied der LGBTQ-Gemeinde erwischt wird? Wie reagiert dann das Volksministerium für Aufklärung und Propaganda unter Lisa Paus?

Natürlich müssen auch heilige Schriften aktualisiert und modernisiert, angepasst und verbessert werden. Wie das geschieht, hat Nietzsche vorgemacht, als Pfarrerssohn kannte er sich aus in den Schmutzecken der frommen Seelen. „Wer sich selbst erniedrigt, will er erhöht werden“ notierte er deshalb unter dem Stichwort „Lukas 18,14, verbessert“. Als Kenner des Griechischen hat Nietzsche aber nicht nur die Evangelien, sondern auch die Episteln verbessert. Aus dem bekannten Ausspruch des Apostels Paulus „Dem Reinen ist alles rein“ hat er den Satz gemacht „Den Schweinen wird alles Schwein“ und seinem Zarathustra in den Mund gelegt. Was, wenn sich ein Autofahrer mit diesem Aufkleber am Wagen in eine Stadt begibt, die gerade den Christopher-Street-Day feiert? Kann er sich dann noch auf die Redefreiheit berufen?

Wahrscheinlich nicht. Denn nicht nur die Bundesregierung, auch die Kirche wirbt ja schon längst für die Einschränkung der Redefreiheit. Sie will die Grenzen des Sagbaren enger ziehen; wie eng genau, weiß man noch nicht, ein Blick ins Chrismon, das evangelische Reise- und Urlaubsmagazin, genügt jedoch, um die Richtung zu erkennen. Franz Josef Strauß durfte Hildegard Hamm-Brücher seinerzeit noch als Krampfhenne verspotten; dürfen wir Britta Hasselmann, Gesine Lötsch oder Beatrix von Storch auch so nennen? Ricarda Lang als Leierkasten, Robert Habeck als Dummbart, Claudia Roth als Appetitzügler und Karl Lauterbach als Maulkorbträger bezeichnen? Oder fliegen uns dann die Abmahnungen, Unterlassungsklagen und Bußgeldforderungen zu Hunderten ins Haus? Fragen über Fragen, die der letztgültigen Klärung durch irgendein hohes Gericht harren.

Bis es so weit ist, werde ich allen kaiserlichen und demokratischen Majestäten den schuldigen Respekt erweisen. Im Umgang mit den Maulhelden, die mich zur Kapitulation vor irgendwelchem politisch korrekt verlogenen Blödsinn auffordern, werde ich mich aber an den bekannten Götz von Berlichingen erinnern und antworten wie der. Ist ja doch auch nur ein Zitat.

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