Die EU-Institutionen sind zwar im Sommerurlaub, aber das hält sie natürlich nicht davon ab, weiterhin ihre allbekannte weltgeschichtliche Rolle zu spielen, indem sie etwa Ungarn marginalisieren, die Wahlen in Venezuela kommentieren, heroisch Trans-Irgendwas-Rechte verteidigen, das Weltklima retten, feste den US-Democrats die Daumen drücken – und die nächste Beschneidung der Grundrechte ihrer Bürger planen.
Kennen Sie Euvabeco? Wie bei Lebensmittelzutaten sollte man auch politisch mittlerweile bei allen Abkürzungen skeptisch werden, die mit einem großen „E“ beginnen, und Euvabeco ist hier keine Ausnahme. Es ist dieser Institution trotz ihrer zentralen Bedeutung bislang gelungen, in Deutschland weiterhin unter dem Radar zu fliegen, denn selbst in den alternativen Medien ist bislang kaum jemand auf ihre Existenz aufmerksam geworden – ganz im Gegensatz zu Frankreich, wo seit Wochen eine heftige Diskussion über dieses Thema stattfindet.
„Euvabeco“ steht für „European Vaccination Beyond Covid-19“; ein von verschiedenen Institutionen und Universitäten gesteuerter Verbund, der mit insgesamt 8,44 Millionen Euro größtenteils aus EU-Geldern finanziert wird. Das Ziel: Euvabeco entwickelt gegenwärtig einen komplett integrierten europäischen Impfpass („EVC“), in dem nach Vorbild des belgischen „LINK-VACC“-Systems nicht nur die verschiedenen Impfungen vermerkt sind, sondern auch persönliche Kerndaten, Gesundheitsgeschichte sowie Krankenkassenangaben – also das ideale Interface, mit dem im Falle einer neuen Pandemie EU-weit der Impfstatus eines jeden Bürgers abgefragt werden kann, sei es an der Grenze, im Restaurant, im Krankenhaus, in der Schule, am Arbeitsplatz oder am Flughafen.
Nicht alle EU-Nationen nehmen am Pilotprojekt Euvabeco teil, aber genug, um ihm bald eine nahezu flächendeckende Relevanz für die EU-Kerngebiete zu geben. Und raten Sie einmal, welche Nation mit gutem Beispiel vorangeht und den EU-Impfpass bereits ab September 2024 – auf (noch) freiwilliger Basis – als Pilotprojekt einführen wird? Richtig, Deutschland, im Verbund mit Belgien, Griechenland, Portugal und Lettland – nächstes Jahr stoßen dann auch noch Frankreich, Polen, Luxemburg und Schweden hinzu.
Was bedeutet das alles für den Bürger? „The EVC is designed to empower individuals by giving them control over their vaccination data, thus facilitating the management, review, and sharing of their vaccination records as needed. By providing citizens with accurate and current vaccination information, this tool aims to foster informed decision-making, enhance healthcare continuity, and reinforce confidence in both national and European vaccination strategies.“ – So heißt die Selbstbeschreibung von Euvabeco im „Newspeak“ des 21. Jahrhunderts, und man tut wohl gut daran, hier zwischen den Zeilen zu lesen.
Denn es geht eben nicht darum, die „Invididuen“ zu „empowern“, indem man ihnen die „Kontrolle“ über ihre Impfdaten „gibt“ – das genaue Gegenteil ist der Fall: Es geht darum, potenziell allen anderen Akteuren, allen voran dem Staat, Zugang zu privaten Daten zu geben, um bei Bedarf – die nächste Pandemie kommt bestimmt – entsprechend normativ und repressiv vorgehen zu können, wie auch später zugegeben wird, wenn es heißt: „The EVC piloted by Euvabeco will […] allow Member States to bilaterally verify the authenticity of digital records through an interoperable trust architecture.“
Und das ist noch nicht alles: Das belgische LINK-VACC-System, das von Euvabeco auf die gesamte EU übertragen werden soll, ermöglicht dem Staat auch proaktiv, einzelne „vulnerable“ Gruppen zu bestimmen und die Effizienz von Massenimpfungen ebenso wie die Durchimpfungsraten zu quantifizieren und in Verbindung zu bringen mit verschiedenen demographischen und sozioökonomischen Gruppen, indem Patientendaten aus Gesundheitsregistern, den Testplattformen und Angaben vieler anderer öffentlichen und privaten Einrichtungen kompiliert werden.
Hat man Sie, lieber Leser, als Bürger eigentlich einmal dazu befragt, ob Sie einen EU-Impfpass überhaupt wünschen, um sich bei der nächsten Pandemie am Grenzübertritt, am Restaurantbesuch oder bei der Ausübung ihres Berufs hindern zu lassen? Sind Sie damit einverstanden, verschiedenste höchst private Daten auf einer Online-Plattform zusammengeführt zu wissen? Nein, aber das ist auch egal. Denn es ist zu lesen, dass zwischen März und Mai 2021 im Rahmen eines Projekts der EU-Kommission eine Bürgerbefragung zum EU-Impfausweis durchgeführt wurde, an der sage und schreibe 78.000 Bürger aus zehn (von 27) EU-Ländern teilnahmen. Diese wurden dann zu ihrer Einstellung gegenüber Impfungen und der Nachverfolgung von Impfungen befragt; außerdem wurden ihnen drei mögliche Vorlagen für Impfausweise gezeigt – die präferierte Vorlage wurde dann zur Basis des baldigen Impfausweises. So geht im 21. Jarhundert EU-Demokratie: Obskure digitale Meinungsbefragungen in einigen ausgewählten Ländern entscheiden über das, was dann eine halbe Milliarde Menschen widerstandslos akzeptieren soll.
Ein Hauptanliegen der Teilnehmer war dabei der „Schutz der Impfdaten“, wie auf der Webseite der Einrichtung zugegeben werden musste. Euvabeco hat daher großzügigerweise sichergestellt, dass (vorläufig) kein „zentralisiertes“ Datenspeichersystem verwendet wird, will sagen: Damit andere auf die Daten eines Bürgers zugreifen können, muss der Bürger seine Daten absichtlich versenden oder vorweisen. Und was geschieht, liebe Leser, wenn Sie sich dann während der nächsten Pandemie beim Krankenhausbesuch, bei der Auslandsreise, am Arbeitsplatz, in der Schule oder beim Gang zu einem Amt weigern, den digitalen Impfpass „freiwillig“ vorzuweisen, können Sie sich gut vorstellen – ebenso, wie schnell Daten von einer „dezentralisierten“ in eine „zentralisierte“ Informationsarchitektur überführt und entsprechend auch ohne Ihre Zustimmung abgefragt werden können: Allgemeinwohl geht über Eigenwohl.
„Et hätt noch emmer joot jejange“, so lautet nicht nur eine etwas fragwürdige rheinische Lebensphilosophie, die im Licht der verschiedenen Totalitarismen der letzten Jahrhunderte nur noch zynisch wirken kann, sondern auch die Lebenseinstellung vieler posthistorischer Menschen, denen angesichts ihrer nur kurzfristigen Lebensziele jegliches Denken in langfristigen Perspektiven abhandengekommen ist.
Umso wichtiger ist es, jetzt und hier zu warnen. Totalitarismus ist auch in vormodernen Gesellschaften möglich gewesen – man denke nur an den Legalismus der Qin-Dynastie im alten China –; die moderne Technologie ermöglicht aber eine Verdichtung der Kontrolle, ja einen aus der Technik selbst erwachsenden Sachzwang zur Zentralisierung, der uns Angst und Bange machen sollte. Wo Informationen zum Impfstatus auf dieselbe Plattform geladen werden wie zivile Personalien, Daten zur eigenen Krankheitsgeschichte und Angaben zur Krankenversicherung, da sind die ersten Schritte gelegt zum sanitären Sozialkreditsystem und zur Tyrannis des Staates über die körperliche Unversehrbarkeit. Die RKI-Files und die Skandale um von der Leyens Impf-Deals sollten das letzte Vertrauen in den guten Willen des politischen Establishment nicht nur erschüttert, sondern eigentlich pulverisiert haben.
Diesen Menschen die Hilfsmittel an die Hand zu geben, nicht nur auf fragwürdigster politischer Basis Impfverpflichtungen zu erlassen, sondern im selben Atemzug auch individualisierte Zielgruppen zu bestimmen und mögliche Zuwiderhandlung auf Knopfdruck oder automatisiert durch Beschränkung der Mobilität oder des Zugangs zu medizinischer Pflege zu bestrafen – und man wird wohl nicht mehr lange warten müssen, bis auch private Bankdaten „der Einfachheit halber“ mit derselben Datenbank verbunden werden –, wäre reiner Wahnsinn.
„Niemand will eine Mauer bauen“, lautete ein berühmter Spruch der deutschen Geschichte – „niemand will eine europaweite Impfpflicht“ einführen, könnte bald ein nächster lauten. Der Widerstand muss hier und jetzt geschehen – ein Schritt weiter könnte es schon zu spät sein.