Tichys Einblick
Hart aber Fair

Sklaventreiberin? Nehmen wir, Hauptsache nicht Trump

Wenn die Damen und Herren des Bundestags ihre blauen Sessel räumen und gegen Liegestühle am anderen Ende der Welt tauschen, könnte man denken, dass die politische Lage sich beruhigt und in einer politischen Talkshow nichts mehr zu sagen ist. I wo.

Screenprint: ARD / hart aber fair

Hart aber Fair ist aus der Sommerpause zurück und was sind wir alle froh. „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mache Pläne“, heißt es doch so schön und das trifft diese Sommerpause ziemlich gut. Wenn die Damen und Herren des Bundestags ihre blauen Sessel räumen und gegen Liegestühle am anderen Ende der Welt tauschen, würde man denken, dass die politische Lage sich beruhigt und man in einer politischen Talkshow nichts mehr zu sagen hat.

Doch dann gibt es während dieser Sommerpause ein Attentat auf den Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten und der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten tritt aus dem Wahlkampf zurück und plötzlich verpasst man im Öffentlich-Rechtlichen wertvolle Sendezeit, um über ein absolutes Lieblingsthema zu sprechen: Donald Trump.

Auf ins Gefecht
Trump in Rede nach Attentat sichtlich bewegt und trotzdem kämpferisch
Das einzige Mal, bei dem während der Sendung Schaum vor dem Mund bekommen kann, ohne am nächsten Tag wegen Tollwutverdacht auf der Bild Seite 1 zu landen. Das einzige Mal, bei dem man komplett ungestraft über einen Menschen sprechen kann, als wäre Menschenwürde verhandelbar. Das einzige Mal, bei dem man die krudesten, wirrsten, abwegigsten Verschwörungstheorien aus der dunkelsten Kammer seines Inneren hervorkramen und es als ernst zu nehmende Analyse verkaufen kann.

Wir haben schon vieles aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehört, was in der Peter-Hahne-Ära noch undenkbar gewesen wäre. Doch wenn es um Donald Trump geht, schwingt bei vielen irgendwie fühlbar noch mehr Hass und Verachtung mit, als etwa gegenüber dem durchschnittlichen AfD-Wähler oder -Kandidaten. Vielleicht ist es diese Art Anonymität, weil Donald Trump niemals diese Sendungen sehen wird – und sie niemals ihn. Er ist dieses Fantasiemonster, in das man alles reininterpretieren kann, ohne sich Finger und Mund zu verbrennen.

Nun, da Mordversuch, Wahlkampf-Rücktritt und Harris-Ernennung einige Wochen zurückliegen, gibt es also viel aufzuholen. Zum Glück hatte Louis Klamroth viel Zeit, um sich zu erholen. „Trump oder Harris: Was steht bei der US-Wahl auf dem Spiel?“ ist der Titel der Sendung, zu der folgende Gäste ins ARD-Studio angetreten sind: die Journalistin und Buchautorin Alice Hasters; SPD-Politiker und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag Ralf Stegner; CDU-Politiker und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen; Parteivorsitzende  Bündnis Sahra Wagenknecht Amira Mohamed Ali und der Welt-Journalist Jörg Wimalasena. Da Hart aber Fair ja immer noch dieses Bürgernähe-Ding durchziehen will, durfte außerdem ein deutsch-amerikanisches Pärchen, das die Redaktion auf TikTok gefunden hat, für ein paar Minuten aus ihrem Leben erzählen.

Isolationist und Freund Israels
Wer hat Angst vor J. D. Vance?
Alice Hasters ist die Autorin des Buches „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ und ihres neusten Werkes „Identitätskrise“. Da Hasters damit im Grunde alles verkörpert, womit Kamala Harris ihre Wahl gewinnen will, ist sie tatsächlich die perfekte Wahl für die erste Frage – die ebenfalls alles verkörpert, womit Kamala Harris ihre Wahl gewinnen will: „Sind die Amerikaner bereit für die erste Präsidentin ihrer Geschichte?“

Hasters, deren Mutter Amerikanerin und Biden-Wählerin ist, findet ja. Oder zumindest meint sie, dass Amerika keine andere Wahl hätte, immerhin sei das mit dem sich immer weiter radikalisierenden Trump „keine gewöhnliche Wahl zwischen Demokraten und Republikanern“. Der Rest der Runde stimmt ihr weitestgehend einstimmig zu. Stegner und Röttgen hoffen ganz offen auf einen Sieg von Harris, Mohamed Ali will sich nicht so eindeutig positionieren, hält Trump aber für einen dreisten und unberechenbaren Lügner. Von allen heißt es nur: Mit Harris haben die Demokraten zumindest eine Chance, aber man weiß nicht, wer gewinnen wird.

Jörg Wimalasena ist der einzige, dessen Antwort ein bisschen mehr Gehalt hat als ein Twitter-Post. „Sie ist auf jeden Fall die einzige, die im Angebot ist“, um Trump zu besiegen, doch er hält sie „für die falsche Kandidatin“. Besonders kritisiert er, dass sie keine politische Linie hat. Er kommt auf ihre letzte Kampagne als Präsidentschaftskandidatin zu sprechen, während der sie sich damals zunächst als Linkskandidatin positionieren wollte, bis ihre reichen Spender in den Hamptons etwas anderes von ihr wollten. „Deshalb glaube ich auch, dass diese Beliebigkeit sich bei ihr fortsetzen wird.“

Entscheidende Tage für den US-Präsidenten
Führende US-Democrats wollen Bidens Rücktritt noch an diesem Wochenende
Klamroth stellt die falschen Fragen. Ob Kamala Harris eine gute Kandidatin für die Dems ist, ist egal. Es ist auch egal, ob ihre Umfragewerte im Vergleich zur Zeit vor Bidens Rückzug gestiegen sind. Die Democrats können jetzt nicht mehr wechseln. Der Zug ist seit Wochen abgefahren, aber da hat Klamroth ja gerade auf irgendeinem Liegestuhl Piña Coladas geschlürft.

Es ist verblüffend, wie viele in Politik und Journalismus noch so viel darauf geben, wie Harris’ Umfragewerte ausfallen oder welcher Dem sich für sie ausspricht. Das sagt in einem Zwei-Parteien-System doch absolut gar nichts aus. Ihre Beliebtheitswerte sind nicht gestiegen – die Frage ist eine andere. Als Biden noch Kandidat war, ging es um die theoretische Frage, ob man Kamala Harris mag. Das wurde auch über Michelle Obama gefragt, obwohl die noch nie zur Wahl stand und auch nie Anstalten gemacht hat, sich zur Wahl zu stellen.

Mit ihrer Ernennung zur Kandidatin der Demokraten geht es aber nicht mehr um theoretische Beliebtheit und sympathisches Lachen. Jetzt heißt es: Friss oder stirb. Links oder rechts. Jeder überzeugte Dem wird weiterhin Dems wählen. Ob nun mit Biden oder Harris. Genauso wie jeder Rep Trump wählen wird, auch wenn er eigentlich jemand anderen lieber gehabt hätte. Die Wahl wird von den Ungebundenen entschieden. Die, die auf der Kippe stehen. Die einzig wichtige Frage ist, wie viele auf der Kippe stehen und wo sie hin kippen.

Ein trauriges Dokument
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Nachdem Klamroth bei allen Gästen abgeklappert hat, was wir alle schon wissen, ging es zum TikTok-Pärchen. Er ist Afroamerikaner und sie Deutsche, beide haben erst in Amerika gelebt und jetzt bringt Sarah ihrem Jeremy den deutschen Dativ bei. Beide sind Harris-Fans und finden, dass ihre Kandidatur sich fast wie die von Obama damals anfühlt, weil sie frischen Wind in die Politik bringt. Damit dürften die beiden wohl nicht mal für die meisten Dems repräsentativ sein, geschweige denn für die ganzen USA.

Zurück also zu den Podiumsgästen. Da erklärt Hasters uns, dass Harris ihr Schwarzsein doch „eben nicht“ zum Thema machen würde, jedenfalls nicht in dieser Wahl. Darauf braucht man wohl auch nicht näher einzugehen, denn für jemanden, der mit einem Anti-Rassismus-Ratgeber berühmt geworden ist, dürfte diese Einschätzung sehr relativ sein.

Anders als die Journalistin Hasters bezieht Jörg Wimalasena keine Stellung. Er erzählt einfach nur, was in Amerika Allgemeinwissen zu Kamala Harris ist, was in Deutschland aber klingt wie Verschwörungstheorien – und im Podium gar nicht gut ankommt. Er erinnert, dass Harris auch abseits ihrer „Identität“ mit ihrer Vergangenheit nicht punkten kann. So will sie sich zwar groß mit ihrer Tätigkeit als Staatsanwältin profilieren – Klamroths Redaktion hat da auch einen schönen Ausschnitt aus ihrer Wahlkampfrede eingeblendet, in dem sie sehr gut und taff wegkommt –, doch wie Wimalasena ganz richtig erinnert: An der Stelle hat sie ganz und gar keine weiße Weste.

Nach Trump-Attentat
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So wollte sie damals Gefangene über ihre Gefängnisstrafe hinaus im Gefängnis behalten, um sie als billige Arbeitskräfte zu missbrauchen. Gefängnisse sind bei der Abschaffung der Sklaverei ja ausgenommen gewesen, merkt Wimalasena an. Es ist ein Fakt. Ein Fakt, der Kamala innerhalb der Dems vor vier Jahren Kandidatur und Beliebtheit gekostet hat. In Deutschland will man zwar über US-Politik reden, aber so tiefgehend nun auch wieder nicht.

Ralf Stegner will davon etwa nichts wissen und findet sie immer noch super. Kamala wird gewinnen, so viel ist für ihn sicher. Denn es ist ja schließlich absolut unmöglich, dass eine Frau oder eine Person of Color für ihn stimmen könnte! Niemals! Wenn man mit einer bestimmten Chromosomen-Kombination oder Pigment-Dichte geboren wird, ist die politische Ausrichtung genetisch verankert. Das Nachdenken soll man lieber den weißen Männern, den Ralf Stegnern dieser Welt überlassen, die einzige Spezies, die zu der Entwicklung eigener politischer Gedanken fähig ist. Auch Hasters will davon nichts hören. Harris steht für Law and Order und Trump ist verurteilter Straftäter. Damit ist die Sache für sie klar.

Ganz ehrlich, ich bin überrascht. Diese Sendung hat es nach langem geschafft, mich tatsächlich ein bisschen zu verblüffen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass hier irgendwer ein nettes Wort über Trump verlieren würde – das hätte mich wirklich vom Hocker gehauen. Auch dass man hierzulande so ein großer Fan von Harris ist, konnte ich bisher nicht sehen.

Sie ist schwarz, eine Frau, links. Natürlich mögen die Linken sie. Aber ich dachte, das liegt an der deutschen Naivität. Daran, dass niemand irgendwas über sie weiß. So wie die Deutschen auch noch nicht mitbekommen haben, dass die Amerikaner Obama nicht so heiliggesprochen haben wie sie. Dass es in Amerika sogar ein Running Gag ist, dass Angela Merkel in Obama verknallt war.

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Und klar, seit die Democrats jetzt nicht mehr von Harris abweichen können, wenn sie nicht komplett das Pferd wechseln wollen, so können auch die deutschen Linken nicht sagen, sie nehmen Trump, wenn sie Harris nicht mögen. Aber wir haben doch den Luxus, dass wir uns nicht entscheiden müssen.

Jörg Wimalasena hat sehr unverblümt auf den Tisch gelegt, was man über Harris wissen sollte. Dass sie ihr Wort nicht hält. Dass sie sich von ihren Spendern im Grunde kaufen lässt. Dass sie keine eigene Meinung hat, nicht ehrlich oder echt ist. Dass sie bereit wäre, Menschen gegen die absoluten Grundsätze des Rechtsstaates als Sklaven zu missbrauchen, um Geld zu sparen. Nicht im übertragenen Sinne. Sondern wirklich in echt genau das versucht hat, als man ihr das letzte Mal Macht gegeben hat.

Und die Antwort ist nicht mal wenigstens: Das ist schlimm, aber sie ist das kleinere Übel. Nein, die Antwort ist einfach nur: Sie ist taff und Wandelbarkeit im Wahlkampf ist normal, ich finde sie toll. Für mich ist das eine neue Ebene an moralischer Verkommenheit. Man hält Harris für einen Ausnahmefall: einen schlechten Menschen, der Macht missbraucht, nicht auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit oder Moral steht und auf niederträchtigste Art opportunistisch ist.

Aber das stimmt gar nicht. Sie ist überhaupt nichts Besonderes. Ralf Stegner hat damit auch kein Problem. Er kann das gutheißen, ohne das Bedürfnis zu haben, irgendwas relativieren zu müssen, damit da jetzt nichts falsch rüber kommt. Genauso wie die restlichen Mitglieder der Runde, die das einfach stillschweigend zur Kenntnis genommen und Harris danach immer noch als objektiv gute Kandidatin bezeichnet haben. Trump hat es mal wieder geschafft. Er hat Ralf Stegner und Co. in die Tollwut getrieben. Aber das war alles nur die Analyse eines ehrenhaften Mitglieds des Auswärtigen Ausschusses.

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