Tichys Einblick
Kampagne zur Hitzewelle

Zeit für den Ausnahmezustand

Regen und Temperaturen unter 20 Grad Celsius. Das war über große Strecken der Sommer 2024. Doch die "Hitzewelle"-Kampagne ist vorbereitet - und wird gnadenlos durchgezogen. Etwa von der DAK-Gesundheit.

picture alliance / dpa | Horst Galuschka

Seit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Pandemie verloren hat, versucht er den „Hitzetod“ als neues Panikmonster aufzubauen. Fast alle spielen mit. Gut. Der Sommer jetzt nicht. Der war besonders zu Anfang verregnet und bot oft Temperaturen unter 20 Grad Celsius. Doch sonst machen alle mit. Die gleichen Journalisten, die Lauterbachs „absolute Killervariante“ beschworen haben, inszenieren nun den „Hitzetod“: Reportagen über diese Gefahr und monatliche Nachrichten, dass dies jetzt der heißeste Monat aller Zeiten war. Wenn schon nicht in Deutschland, dann halt im Death Valley, in Burkina Faso oder auf dem Mond. Irgendwo ist immer heiß.

Das Statistische Bundesamt sitzt mit im Panikorchester. 1.500 Behandlungen im Krankenhaus als Folge der Hitze, vermeldete das Amt. Groß. Laut. Und weggelassen, dass diese Zahl 0,009 Prozent aller jährlichen Behandlungen in deutschen Krankenhäusern entspricht. Wer den Hitzetod zu einer absoluten Killervariante aufblasen will, lässt solch einordnende Relationen lieber weg. So wie das Statistische Bundesamt.

Nun also die DAK-Gesundheit: „Hitzewelle 2024. Jeder Vierte hatte Gesundheitsprobleme“, titelt die Krankenkasse. Hui, ui, ui. Der Hitzetod geht um. Hat Lauterbach schon irgendein Medikament millionenfach bestellt? Kriegen wir endlich wieder Ausgangssperren? Müssen wir Kühlbeutel in der Bahn tragen? Wie sollen wir denn bitte in Panik gehen, wenn die Politik die Folterwerkzeuge nicht einmal zeigt?

Welche „Gesundheitsprobleme“ stecken den hinter der DAK-Schlagzeile? Kreislaufprobleme. Schlafstörungen. Und „Abgeschlagenheit“. Erschöpfung ist die mit Abstand am häufigsten genannte Antwort unter denen, die „Gesundheitsprobleme“ wegen der Hitze hatten. Die Beulenpest hat nicht so hart in Deutschland gewütet wie dieses Hitzemonster. Manch Erkrankter soll sogar Unlust empfunden haben, montags zur Arbeit zu fahren. Chronischen Widerwillen beim Zahlen der Steuern und Abgaben oder Appetitlosigkeit beim Essen von rohem Brokkoli. Zeit, den Ausnahmezustand wegen der Hitze zu erklären. Ohne diese Mörderglut wäre Darmstadt 98 in der Bundesliga auch nicht abgeschlagener 18. sondern Deutscher Meister geworden.

Nun ist es nicht so, dass die DAK nur Zahlen hochpushen könnte, um in Lauterbachs Panikorchester mitspielen zu können. Die Krankenkasse hat auch verbal einiges zu bieten: „Es ist alarmierend, wie viele Menschen schon in den ersten Hitze-Wochen Gesundheitsprobleme hatten“, sagt Kassenchef Andreas Storm. „Unser Hitzereport zeigt, dass die Auswirkungen der extremen Temperaturen zunehmend ältere Menschen gesundheitlich belasten und vor allem der jüngeren Generation große Sorgen macht.“

Alarm. Sorgen. Große Lasten. Übertreibt Storm? Wohl kaum. Deutschland erlebt eine chronische Abgeschlagenheit. Das ist doch offensichtlich. Etwa bei den deutschen Athleten in Paris, die nicht auf einem Pferd sitzen. Mehr abgeschlagen geht doch kaum. Und dann die pathologische Schlaflosigkeit. Vor allem bei älteren Menschen. Waren alte Menschen doch vor dem Hitzetod dafür bekannt, nachts zehn Stunden problemlos durchschlafen zu können.

Da fordert Storm zurecht: „Die Schutzpläne müssen weiter ausgebaut werden und bundesweit zur Entfaltung kommen. Vor allem Kinder, Kranke und ältere Menschen müssen besser vor Hitze geschützt werden.“ Wie genau das aussehen soll, schreibt Storm nicht. Bei Hitze im Schatten zu bleiben, wäre dem DAK-Chef wohl zu kostenlos. Was Deutschland auch immer gegen den Hitzetod unternimmt, ist egal. Wichtig ist nur, dass es Milliarden kostet und das Geld durch die Kassen fließt. Klar bleibt da ein gewisser Anteil an Verwaltungskosten hängen. Ehrensache. Kein Grund zur Panik.

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