Tichys Einblick
In Leverkusen steht ein Trampolin

Annalena Baerbock überzeugt bei ihrer Sommerreise durch Kompetenz

Wenn Annalena Baerbock Berater hätte, die etwas von Politik verstünden, würden sie ihrer Chefin verdeutlichen, dass es mit Durchhalte- und Anfeuerungsparolen aus dem Sport nicht gemacht ist. Selbst wenn man es gut kann, sollte man nicht ein ganzes Land auf ein Trampolin zwingen.

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) nutzt im Rahmen ihrer Sommerreise in Nordrhein-Westfalen beim Besuch vom TSV Bayer 04 Leverkusen in der Sporthalle ein Trampolin.

picture alliance/dpa | David Young

Brava! Annalena Baerbock ist mit einem einzigen Luftsprung gelungen, alle Zweifel an ihrer Kompetenz auszuräumen – an ihrer Kompetenz als Trampolinspringerin. Während ihrer Sommerreise stand sie am Dienstag in der Halle des TSV Bayer 04 Leverkusen, unterhielt sich mit Sportlern mit körperlichen Einschränkungen und einem Prothesen-Hersteller, doch dann schlug wie wild das Herz einer Trampolinspringerin und sie schlüpfte in einen zufällig sich im Koffer befindlichen Sportdress. Es ist schon schön, dass die Marie-Antoinette der Ampel sich auf Leute, deren Kosten die Steuerzahler gern übernehmen, verlassen kann, die dafür sorgen, dass sie nicht aussieht wie ein Totengräber oder für alle Fälle die richtige Kleidung dabeihat, denn Gala, Bunte, ARD und ZDF sind unerbittlich. Die Yellow Press verzeiht keine Fehler im Outfit und im Styling.

Sieht man von Baerbocks Trampolinsprüngen in Leverkusen ab, gibt es eigentlich nicht viel von der Reise der ehemaligen Dritten im Doppel-Mini-Tramp der Deutschen Meisterschaften und erfolgreichen Vordiplomandin in Politikwissenschaften zu berichten.

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Zum Auftakt ihrer Reise, die man sorgsam – in einem riskanten Slalom um alle möglichen Begegnungen mit Kritikern herum – geplant hatte, ließ Baerbock die Leser der ZEIT wissen: „Den Kopf in den Sand stecken – das bringt uns keinen Millimeter voran. Pessimismus ist keine Antwort.“ Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt uns allerdings ein paar Zentimeter tiefer. Übrigens hat sie natürlich recht, weder Pessimismus noch Fatalismus hilft. Die Deutschen müssen nicht die Ampelleute zwingen, sich weiter zu überfordern, indem sie Regierungshandeln für Deutschland simulieren, wo sie doch lieber Kinderbücher schreiben oder auf dem Trampolin springen oder never alone durch die Gegend wummsen.

Wenn Baerbock nur Berater hätte, die etwas von Politik verstünden, würden sie ihrer Chefin verdeutlichen, dass es mit Durchhalte- und Anfeuerungsparolen aus dem Sport nicht gemacht ist: „Nur wenn wir mutig, kreativ und vor allem gemeinsam an unserer Zukunft bauen, dann kommen wir als Land und Gesellschaft auch stärker und resilienter durch dieses globale Transformationszeitalter“, ließ sie vor ihrer Abreise in die Sommertour wissen. Nun hat sich auch die deutsche Wirtschaft nicht mehr vor der Feststellung drücken können, dass die Energiewende gescheitert ist.

Selbst wenn man es gut kann, sollte man nicht ein ganzes Land auf ein Trampolin zwingen und über das Trampolinzeitalter reden. Aber wer nur ein Netz unter sich hat, dem wird die Welt zum Trampolin, es geht hoch und runter, aber keiner kommt von der Stelle – und irgendwann reißt das Netz.

Da die Deutschen nur sicher wissen, dass Baerbock von ihnen bezahlt wird, nicht aber für wen sie vorrangig Politik macht, für Deutschland oder eben doch für die Ukraine, besuchte Baerbock, um das klarzustellen, zum Auftakt ihrer Sommereise das Rüstungsunternehmen Flensburger Fahrzeugbau (FFG), das Panzer für die Ukraine produziert und in Stand setzt, und auch um mit dort arbeitenden Ukrainern zu reden. FFG produziert übrigens auch in der Ukraine. Das Prinzip, Rechnungsadresse nicht gleich Lieferadresse, dürfte Baerbock bestens bekannt sein.

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Und damit ist eigentlich schon alles über Baerbocks Sommerreise gesagt, zumal die Medien auf Gala- und Bunte-Niveau im Grunde nur über Baerbocks Trampolinsprünge berichteten, worüber soll man auch schreiben, wenn man über Baerbock nichts Kritisches äußern will. Dann hält man sich eben daran fest, wovon sie etwas versteht. ZON begeisterte sich pflichtschuldig noch an Baerbocks ausuferndem Lob für Kamala Harris. Das Lob ist echt, eint doch beide Politikerinnen ihre schon fast sprichwörtliche Kompetenz.

Da sich Baerbock auf ihrer Sommereise weitgehend in der grünen Blase wie beispielsweise bei der Mercator Stiftung Essen aufhielt oder sich bei der Kreishandwerkerschaft Ruhr in Bochum über die Einwanderung von Fachkräften informierte, gab es in der Tat nichts zu berichten, was man nicht schon wüsste. Einwanderung und Ukraine scheinen die einzigen Themen gewesen zu sein, die sie außer dem Sport bewegen. Obwohl sie bei ihrem Besuch der Kreishandwerkerschaft zu Erkenntnissen gelangte, die ihre Luftsprünge von Leverkusen fast in Vergessenheit geraten ließen: „Jeder möchte morgens gerne weiter Brötchen kaufen. Und, dass bei uns zuhause, wenn der Wasserhahn tropft, der Handwerker nicht in zwei Monaten, sondern in den nächsten Tagen kommt.“

Und damit das gelingt, müssen Fachkräfte aus dem Ausland kommen, an besten aus Afghanistan. Um das zu gewährleisten, hat das Außenministerium eine höchst eigene Initiative bei der Vergabe von Visa gestartet, nämlich das Verfahren der „Alternativen Glaubhaftmachung“. Wenn der Visaantragsteller über keinen gültigen Pass verfügt oder andere Dokumente nicht vorlegen, aber stattdessen ein Lied aus seiner Heimat trällern kann, muss ihm ein Visum erteilt werden. Schließlich, so meint die Führungsetage von Baerbocks Ministerium: „Es ist nicht erforderlich, dass die Behörde mit absoluter Gewissheit die Richtigkeit des Sachverhalts feststellen muss.“ Und damit auch wirklich afghanische Fachkräfte nach Bochum kommen, damit man auch weiter in Bochum morgens Brötchen kaufen und der Handwerker am nächsten Tag und nicht erst in zwei Monaten kommt, weist die Führung von Baerbocks Ministerium an: „Eine Ablehnung allein aufgrund nicht vorliegender Belege ist nicht möglich.“

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Die Kreishandwerkerschaft resümierte: „Beim anschließenden Austausch mit Handwerksunternehmern, Repräsentanten der Kreishandwerkerschaft Ruhr und der Stiftung ‚Von Werkstatt zu Werkstatt – Berufliche Bildung durch Handwerk und Mittelstand‘ standen die Themen Fachkräftegewinnung und -einwanderung auf der Agenda.“ Und damit der Bochumer auch morgens seine Brötchen in Ghana kaufen oder für sein Sommerhäuschen in Ghana auch am nächsten Tag einen Handwerker bekommt, falls der Wasserhahn tropft, bedankte sich Baerbock bei der Mercator Stiftung besonders für deren Projekt in Ghana.

Irgendwie will Baerbock ihrem ziemlich besten Parteifeind Robert Habeck doch noch beweisen, dass sie mindestens so viel von Wirtschaft versteht wie er, was sicher richtig ist. Deshalb besuchte sie auch Carl Zeiss Jena, ließ sich ein paar hübsche Dinge zeigen und formulierte dann mit ihrem untrüglichen Sinn fürs Wesentliche: „Meine Heimatstadt Potsdam und Jena verbindet, dass wir zwei super Frauenfußball-Teams haben.“ Eine Information, die für das Management von Carl Zeiss Jena goldwert und überlebenswichtig war. Die Frauenfußballmannschaften von Jena und Potsdam werden Deutschland wirtschaftlich an die Weltspitze kicken.

Als dann Baerbock staatsmännisch wie Erich Honecker oder staatsfraulich hinzufügte, dass Besuche von ihr in Unternehmen wie Carl Zeiss auch „zur Stärkung eines regionalen Wirtschaftskerns“ dienen würden, da es schließlich darum ginge, wie Unternehmen in Deutschland im internationalen Wettbewerb am besten durch die Regierung unterstützt werden können, spürte man in Jena Erleichterung. „Gerade an diesem Standort merkt man, dass, wenn man Hand in Hand arbeitet, man auch vor Ort dazu beitragen kann, weltweit ein attraktiver Standort und Arbeitgeber zu sein.“ Und da nichts mehr als der Fachkräftemangel Annalena Baerbock umtreibt, haben sie auch in Jena aufgeatmet, als ihnen die Außenministerin Fachkräfte, wohl aus Afghanistan versprach – und wenn diese nur Frauenfußball können, so hilft wahrscheinlich auch das. Ansonsten ging sie dem Visa-Skandal, den sie zu verantworten hat, von vielen Medien, den Ampel-Leuten und bis jetzt auch von der Unionsfraktion geschützt, konsequent aus dem Weg.

„Die Vielfalt ist außer Kontrolle geraten“
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Vom Frauenfußball in Jena ging es für Baerbock zu den Olympischen Spielen in Paris, die man glatt hätte abbrechen müssen, wenn Baerbock nicht endlich am 1. August an die Seine gereist wäre, denn: „Es ist einfach großartig! Olympische Spiele bringen die Welt zusammen und Paris ist eine tolle Stadt.“ Zwar stehen wir unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges zwischen dem Iran und Israel, aber laut Baerbock, wie Der Westen berichtet, brauche es angesichts des Nagens am Zahn der Zeit solche „tollen“ Ereignisse wie Olympia 2024. „Mit Blick auf die Kriege in der Ukraine und Israel schreibt sie dem Sport eine unverzichtbare verbindende Bedeutung zu.“ Dass der Iran für die Eröffnungsshow den französischen Botschafter einbestellt hatte, schien ihr entgangen zu sein. Der Skandal um den Boxkampf zwischen Angela Carini und Imane Khelif ebenfalls.

Erik Gujer schrieb in der NZZ darüber, wie Deutschlands außenpolitische Bedeutung in der Sonne dahinschmilzt und dass der Ukraine-Konflikt schon jetzt „die Staaten in Gewinner und Verlierer“ einteilen würde. „Zu den Verlierern zählt eindeutig Deutschland. Vor wenigen Jahren war es noch die Führungsmacht in der EU, und seine Kanzlerin wurde vom Magazin ‚Forbes‘ zehn Mal hintereinander zur mächtigsten Frau der Welt gekürt. Wer käme heute auf die Idee, Olaf Scholz unter die mächtigsten Männer der Welt einzureihen?“ Und das, obwohl Baerbocks Vorgänger Heiko Maas sich auf den Bänken der Uno fläzte und über Trumps Warnung vor der Abhängigkeit von Russland überheblich wie ein Schnösel lachte und Steinmeiers größte und übrigens nachhaltige Leistung als Außenminister darin bestand, den Iran stark zu machen.

Wenn man die Frage stellt, was Annalena Baerbock, sollte sie einmal etwas für Deutschland tun wollen, tun könnte, lautet die Antwort Trampolinspringen.

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