Man kann Thomas Haldenwang nicht vorwerfen, dass er kein Traditionsbewusstsein besäße, doch stellt der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz selbst die Frage, in welche Tradition er sich begibt. Ein Inlandsgeheimdienst, der seine Hauptaufgabe darin sieht, in den politischen Prozess, in Wahlen einzugreifen, und der sich zum Büttel parteipolitischer Interessen macht, delegitimiert sich selbst. Im Osten weckt Haldenwangs Vorgehen schlimme Erinnerungen.
Fassungslos verfolgt man, wie der Mann mit dem Charme eines Bürokraten den Verfassungsschutz zum Schild und Schwert der Ampel umbaut. Gestern informierte TE über den Bericht im Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass nach der Wahl in den drei ostdeutschen Bundesländern für den Fall, dass die AfD in einem der Länder an der Regierung beteiligt werden würde, „das jeweilige Landesamt für Verfassungsschutz vom Informationsfluss der anderen Verfassungsschutzämter abgeschnitten“ werden würde. „Eine entsprechende Entscheidung sei bereits getroffen worden, hieß es.“
TE stellte nun der übergeordneten Behörde des Bundesamtes, dem Bundesinnenministerium, folgende Fragen:
- Ist Ihnen bekannt, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz und in einigen Landesämtern Vorbereitungen für den Fall getroffen werden, wenn die AfD in einem der drei ostdeutschen Bundesländer an der Regierung beteiligt werden sollte?
- Geht es bei diesen Maßnahmen darum, dass das betreffende Landesamt vom Informationsfluss gekappt wird?
- Sind weitere Maßnahmen gegen das Landesamt für Verfassungsschutz des betreffenden Bundeslandes geplant?
- Werden Maßnahmen des Bundesinnenministerium oder der Innenministerien der Länder gegen dieses Bundesland diskutiert oder geplant?
- Welche Landesämter würden dem Bundesamt bei der Kappung vom Informationsfluss folgen?
Ein Sprecher des Bundesinnenministerium äußerte sich dazu nur kurz – knapp und vielsagend: „Das BMI äußert sich grundsätzlich nicht öffentlich zur Zusammenarbeit der Nachrichtendienste. Für das Bundesamt für Verfassungsschutz gelten die gesetzlichen Vorschriften des Bundesverfassungsschutzgesetzes.“
TE fragte aber auch das Bundesamt für Verfassungsschutz:
- Plant das Bundesamt für Verfassungsschutz für den Fall, dass die AfD in einem der drei ostdeutschen Bundesländer an der Regierung beteiligt wird, Maßnahmen?
- Geht es bei diesen Maßnahmen darum, dass das betreffende Landesamt vom Informationsfluss gekappt wird?
- Sind weitere Maßnahmen gegen das Landesamt für Verfassungsschutz des betreffenden Bundeslandes geplant?
- Welche Landesämter würden dem Bundesamt bei der Kappung vom Informationsfluss folgen?
Anscheinend waren wir nicht die einzigen, die nachgefragt hatten, denn wir erhielten postwendend die nicht weniger vielsagende Antwort: „Wir bitten um Verständnis, dass wir zu dem Sachverhalt keine Stellung nehmen.“
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) berief sich als Quelle für seinen Bericht auf „Sicherheitskreise im Bund und in den Ländern“. Wenn das RND Informationen aus „Sicherheitskreisen“, also aus dem Verfassungsschutz, erhalten hatte, dann kommen dafür nur zwei mögliche Gründe in Betracht:
Erstens, ein Schlapphut hat sich wichtig machen wollen und beim Bier zu viel geredet, wobei er seiner Phantasie freien Lauf ließ. Dann hätte das Bundesamt problemlos dementieren und den Unfug als Unfug bezeichnen können. Dass man sich hingegen nicht äußern will, legt die Vermutung nahe, dass man zumindest sich in derartige Planspiele verläuft.
Oder zweitens, die Staatsschlapphüte haben nach Art ihres Chefs, der sich für einen Meister der Geheimdienstintrige misszuverstehen scheint und gern verfassungsschutznahe Journalisten auf gemeinsame Ziele einsingt – siehe Correctiv-Affäre –, eine bewusste Indiskretion vorgenommen. Bemerkenswert ist, dass weder das Bundesinnenministerium noch das Bundesamt für Verfassungsschutz dementieren möchten, sondern sich nur nicht äußern wollen.
Wenn man nach dem Grund für dieses Spielchen fragt, dann findet man ihn möglicherweise in den Techniken des Ministeriums für Staatssicherheit zur Zersetzung des politischen Gegners.
Neu wäre das in der Geschichte der deutschen Republik nicht. Denn am 20. Juli 1932 erließ Reichpräsident Paul von Hindenburg eine Notverordnung, durch die die Landesregierung von Preußen unter dem Ministerpräsidenten Otto Braun (SPD) abgesetzt und Reichskanzler Franz von Papen als Reichkommissar für Preußen eingesetzt wurde. Der so eitle, wie intrigante, wie inkompetente Papen rechtfertigte den sogenannten Preußenschlag damit, dass „die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Preußen nicht mehr gewährleistet“ sei.
Ein mögliches Szenario könnte so aussehen: Vom Informationsfluss auszuschließen, würde nur der erste Schritt sein. Denn einem Amt, das mit den anderen nicht zusammenarbeiten kann, würde man in einem zweiten Schritt unterstellen, seinen Aufgaben nicht mehr gerecht werden zu können. Worauf der dritte Schritt erfolgen müsste, dass Haldenwangs Bundesamt die Kompetenzen des betreffenden Landesamtes an sich ziehen würde. Alles natürlich nur, um „Ruhe und Ordnung“ zu gewährleisten.
Würde dann der Verfassungsschutz vom Verfassungsschutz ausspioniert? Der Einsatz von agents provocateurs und der quasi verbeamteten Regierungsdemonstranten, die man in die betreffenden Landeshauptstädte auf Steuerkosten chauffieren würde, wäre denkbar. Im vierten Schritt steht dann zu befürchten, dass in dem betreffenden Bundesland Abgeordnete und Regierungsmitglieder von Haldenwangs Gesinnungsbehörde überwacht, ausgespäht würden und schließlich unter Vorwänden, die noch so windig sein können, denn diese Regierung ersetzt zunehmend das Recht durch die Gesinnung, würde man dann die Landesregierung absetzen.
Was nicht gelingen wird, ist die Wähler in Ostdeutschland einzuschüchtern. Haldenwang ist, will er sein Ziel, die Wahlergebnisse der AfD zu reduzieren, verwirklichen, schließlich gezwungen zu eskalieren. An dieser Stelle sei an Bärbel Bohley erinnert, deren Worte, die Chaim Noll überlieferte, man in diesen Tagen nicht häufig genug zitieren kann:
„Man wird sie ein wenig adaptieren, damit sie zu einer freien westlichen Gesellschaft passen. Man wird die Störer auch nicht unbedingt verhaften. Es gibt feinere Möglichkeiten, jemanden unschädlich zu machen. Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen – das wird wiederkommen, glaubt mir. Man wird Einrichtungen schaffen, die viel effektiver arbeiten, viel feiner als die Stasi. Auch das ständige Lügen wird wiederkommen, die Desinformation, der Nebel, in dem alles seine Kontur verliert.“