Tichys Einblick
Bilanz der Agentur für Arbeit

Die Realität verweigert sich den deutschen Journalisten – Zahl der Arbeitslosen steigt stark

Deutsche Journalisten haben‘s nicht einfach: Erst schrumpft für sie „überraschend“ die Wirtschaft, dann steigt die Zahl der Arbeitslosen „ungewöhnlich stark“. Dabei beschreiben sie stets, wie gut die Wirtschaftspolitik der Ampel ist – nur die Realität will dem nicht folgen.

picture alliance / dpa | Matthias Balk

Es gibt so Schlagzeilen, die deutsche Mediennutzer nur noch mit Schmunzeln verfolgen. Zum Beispiel: Der letzte Monat sei der heißeste gewesen seit, wann immer du willst. Nahezu gar niemand nutze das Bürgergeld aus. Oder Deutschland brauche Zuwanderung, so viel wie nur geht, weil es an Arbeitskräften mangele. Das Schmunzeln über solche Schlagzeilen ist berechtigt.

Denn irgendwann schlurft die Realität um die Ecke und liefert Schlagzeilen wie am Dienstag: Deutsche Wirtschaft schrumpft im zweiten Quartal schon wieder. Oder am Mittwoch: Arbeitslosigkeit steigt massiv. Journalisten von Blättern wie dem Spiegel müssen solche Schlagzeilen mit besänftigenden Beiwörtern wie „überraschend“ oder „ungewöhnlich“ versehen. Denn irgendwie muss die journalistische Heimat von Claas Relotius ja erklären, warum ihre Realität und die andere Realität nicht so recht zusammenpassen wollen.

Die andere Realität ist die der belastbaren Zahlen. Die lauten: Im Juli ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf über 2,8 Millionen Betroffene gestiegen. 190.000 Arbeitslose mehr als noch im Juli 2023. Ein Anstieg der Quote von 5,7 auf 6,0 Prozent. Dazu kommen vier Millionen erwerbsfähige Empfänger von Bürgergeld und 3,6 Millionen Personen in „Unterbeschäftigung“. 140.000 Betroffene mehr als im vergangenen Juli. In der Kategorie „Unterbeschäftigung“ steckt die Agentur für Arbeit all die, die sie in Maßnahmen wie Bewerbungstraining schickt, um sie aus der eigentlichen Arbeitslosen-Statistik rausrechnen zu können. Die Agentur für Arbeit ist in der Hand der SPD, deren ehemalige Parteivorsitzende Andrea Nahles ist die Chefin. So bemüht sich die Agentur durchaus um schmeichelhafte Zahlen – und doch sind die am Schluss nicht so, dass sie in die Realität von Spiegel und Co so recht reinpassen wollen.

Zahlen erzählen eine Geschichte. Aber hinter den Zahlen stecken immer auch Geschichten: Die von einem Land, das wegen der Zuwanderung dringend Wohnungen braucht – in dem aber immer weniger Wohnungen gebaut werden. Weil die Ampel in Berlin und Ursula von der Leyen (CDU) in Brüssel Häuslebauern mit immer mehr Vorschriften und Auflagen die Lust am Bauen nehmen. Oder die Geschichte von einem Land, in dem die Bewohner immer mehr für Pflegeheime zahlen müssen, aber Bedürftige trotzdem keine Plätze finden, weil immer mehr Heime pleite sind. Da die Kassen unpünktlich zahlen und die Politik pünktlich neue Auflagen und Dokumentationspflichten liefert. Oder auch der Klassiker von dem Land, das für seinen Wohlstand günstige Energie braucht, aber in der Energiekrise seine Atomkraftwerke abschaltet – weil es grüne Ideologen so wollen. Nicht zu vergessen die Geschichte von der Zuwanderung, die den Arbeitskräftemangel beheben soll, während die Zahl der ausländischen Empfänger von Bürgergeld steigt – ebenso wie die Zahl der Arbeitslosen.

Wer all diese Geschichten kennt und sie mit nüchternem Blick sieht, für den kommt das Schrumpfen der Wirtschaft alles andere als überraschend. Für die sind 190.000 zusätzliche Arbeitslose kein außergewöhnlich starker Zuwachs. Sie wundern sich eher, warum es nicht noch mehr sind. Nur deutsche Journalisten gehören oft nicht zu der Gruppe mit dem nüchternen Blick. Sie sind eher wie enttäuschte Liebhaber, die einer Realität schmollen, die sich von ihnen nicht herbeischreiben lässt, sondern auf ihrem eigenen Stil besteht.

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