Carsten Linnemann entwickelt sich allmählich zum Wolfgang Kubicki der CDU. Immer wenn der Generalsekretär öffentlich beteuert, dass etwas nicht kommt, bedeutet das dreierlei: Die CDU macht es definitiv, weiß aber, dass es falsch ist und ihre Wähler maximal vor den Kopf stößt. Linnemann hat jetzt eine Koalition „mit diesen Grünen“ als „nicht denkbar“ bezeichnet. Mit anderen Worten: Die Berliner Fotografen können schon mal das Objektiv für das Gruppenfoto mit Linnemann, Ricarda Lang, Friedrich Merz, Robert Habeck, Jens Spahn und Annalena Baerbock raussuchen.
Seitdem „debattiert“ das politische Berlin über Schwarz-Grün, wie es zumindest die Tagesschau beschreibt. Dabei gibt es da eigentlich nichts zu debattieren. Nicht nur, weil Linnemann die Horst-Seehofer-Schule für Rechts-Blinken und Links-Abbiegen mit Abschluss absolviert hat. Sondern, weil es Schwarz-Grün nächstes Jahr seit zehn Jahren gibt. Als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2015 sichere Grenzen und Vernunft fahren ließ, hat sie das Bündnis mit den Grünen eigentlich schon geschlossen.
Durchaus mit Kalkül. Und fast mit Erfolg. Als die CDU-Vorsitzende den Grünen den Werbeschlager naiv-dumme Einwanderungspolitik abnahm, standen die ziemlich nackt da. 2016 und auch noch Anfang 2017 sah es so aus, als ob die Partei bei der nächsten Wahl aus dem Bundestag fliegen könnte. Erst als grüne Medien in der zweiten Hälfte 2017 erfolgreich den Scheinwerfer auf das andere grüne Thema lenkten – den Klimawandel, die Klima-Katastrophe, das Klima-Armageddon –, konnten die sich noch auf Platz sechs ins Parlament retten.
Zwar versuchte Merkel auch das Thema Klima-Weltuntergang zu besetzen und ihr altes, schon abgelegtes Image der Klimakanzlerin wieder hervorzukramen. In der direkten Folge davon gibt es zwei ikonische Fotos von Greta Thunberg. Das eine zeigt „das Kind“ mit dem antisemitischen Hetzsymbol der Krake, das andere mit Angela Merkel. Doch das Thema Klimaschutz ist derart fest mit den Grünen verbunden, dass es ihnen nicht zu nehmen ist.
Doch dieses Thema ist in der öffentlichen Wahrnehmung im Sinkflug. Zum einen, weil die Bürger die monatliche Meldung vom heißesten Monat aller Zeiten nicht mehr ernstnehmen und sie anders als Politik und Medien die Letzte Generation nicht für „Aktivisten“, sondern für Verbrecher halten. Zum anderen, weil ihnen das Bezahlen der Miete oder des Essens auf dem Tisch doch wichtiger als das Wetter von 2124 ist. Dieser Bedeutungsverlust des stärksten Themas hat massiv dazu beigetragen, dass die Grünen in der Europawahl und den Umfragen in Richtung zehn Prozent zusammenschmelzen.
Die Warnung Linnemanns vor den Grünen kommt aber nicht aus dem luftleeren Raum. Klar ist sie ein Ablenkungsmanöver. Aber ohne Grund würde der CDU-General kein solches Manöver starten. Der offensichtliche Grund ist die Abneigung, die immer mehr Bürger gegen die Grünen haben. Umfragen zeigen, dass sich immer mehr wünschen, dass in der nächsten Regierung vor allem die Grünen nicht vertreten sind. Trotzdem wird die CDU die Partei sein, die 2025 sagt: Da sind sie wieder, wir halten die Grünen an der Macht. Nur soll das halt vor der Wahl möglichst keiner wissen. Deshalb Linnemanns Ablenkungsmanöver.
Vor der Wahl etwas versprechen, obwohl man weiß, dass man nach der Wahl etwas exakt anderes macht? Also dreist lügen? Das würde die CDU nie tun? Hat sie doch. Gerade eben. Noch dazu mit dem Versprechen einer antigrünen Politik. Mit dem hat Ursula von der Leyen (CDU) Wahlkampf in Europa gemacht. Etwa mit der Rücknahme des Verbrenner-Verbots. Kaum einen Monat später hat sie sich von den Grünen wiederwählen lassen – und macht mit dem „Green Deal“ entgegen aller Versprechen konsequent weiter.
Es gibt noch einen Grund, warum Linnemann sein leeres Versprechen eigentlich ernst meinen sollte. Einen, den sein Parteifreund Boris Rhein geliefert hat. Der hatte im vergangenen Herbst in Hessen die Chance, nach der gewonnenen Wahl die bestehende Koalition mit den Grünen fortzusetzen. Doch er entschied sich, diese zu brechen und stattdessen mit der SPD weiterzuarbeiten. Weil der Ministerpräsident wusste, dass die grüne Politik Gift ist. Dass eine Partei leiden wird, die eine andere Partei in der Regierung hält, von der sich immer mehr wünschen, dass diese aus eben dieser verschwindet. Franziska Giffey (SPD) wusste das auch. Sie hat in Berlin sogar auf den Stuhl der Regierenden Bürgermeisterin verzichtet und sich freiwillig zur Wirtschafts-Senatorin degradieren lassen, nur um die Koalition mit den Grünen beenden zu können.
Die Grünen sind Gift. SPD und FDP schmecken es derzeit. Wenn es für die Sozialdemokraten so weiterläuft, holen sie 2025 ein Ergebnis, dass um 5 Prozentpunkte unter ihrem bisher historisch schlechtesten liegt. Der FDP droht der erneute Rauswurf aus dem Bundestag. Eine Mehrheit der Deutschen will die Grünen nicht mehr. Schon gar nicht eine Mehrheit der CDU-Wähler. Ein paar Seehofer-Tricks werden nicht reichen, um diese Mehrheit dazu zu bringen, es Merz und Spahn zu verzeihen, wenn sie 2025 die Grünen an der Macht halten. Diese Koalition sollte wirklich für sie „nicht denkbar“ sein. Doch sie ist nicht nur denkbar. Sie ist bereits Realität. Seit Merkel und aktuell mit Ursula von der Leyen.