Diese aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des RND (RedaktionsNetzwerks Deutschland) hat es in sich: Zwei Drittel der SPD-Mitglieder wollen Olaf Scholz für 2025 nicht erneut als Kanzlerkandidaten. Die Forsa-Umfrage fand übrigens zwischen dem 8. und 12. Juli 2024 unter 1001 repräsentativ ausgewählten SPD-Mitgliedern statt: also nach dem miserablen 13,9-Prozent SPD-Ergebnis bei der sogenannten Europawahl vom 9. Juni und nach der Einigung der „Ampel“ auf den Haushalt 2025.
Diese Forsa-Umfrage hat es aber nicht nur aufgrund der Prozentergebnisse in sich, sondern auch deshalb, weil Forsa eigentlich der SPD nahesteht (Forsa-Chef Manfred Güllner, 82, ist seit 60 Jahren SPD-Mitglied); und weil das RND, das über 60 Tageszeitungen rund 6,8 Millionen Leser erreicht, zur Madsack GmbH gehört und dort wiederum die SPD mit einem Anteil von 23,1 Prozent Kommanditistin ist.
Stimmung unter den SPD-Genossen sei jedenfalls, so Forsa, „geprägt von großem Frust und Sehnsucht nach Opposition in der linken Nische“. Und der Glauben an den eigenen Kanzler sei in weiten Teilen der SPD erschüttert. Als großes Problem sehen viele Genossen den eigenen Kanzler: Zufrieden mit der Arbeit von Scholz ist nur etwas mehr als die Hälfte der SPD-Mitglieder (55 Prozent), während 45 Prozent weniger oder gar nicht zufrieden sind. Besonders viele Unzufriedene (52 Prozent) gibt es dabei unter denen, die erst seit 2005 in die SPD eingetreten sind.
Interessant: Die SPD-Mitglieder in Ostdeutschland sind zufriedener mit Scholz (58 Prozent) als die Genossen im Westen, und Frauen in der SPD schätzen Scholz deutlich mehr als Männer (60 gegenüber 52 Prozent). Mit der Arbeit von Co-Parteichef Lars Klingbeil zeigten sich 79 Prozent zufrieden, 65 Prozent zeigten sich zudem zufrieden mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Nur Klingbeils Co-Vorsitzende Saskia Esken überzeugt mit 44 Prozent noch weniger Mitglieder als der Kanzler.
Zwar geben rund zwei Drittel (65 Prozent) die Schuld an der Unzufriedenheit mit der Ampel dem Koalitionspartner FDP – und nur wenige den Grünen oder der eigenen Partei. Aber immerhin ein Drittel der SPD-Parteimitglieder spricht sich für Verteidigungsminister Boris Pistorius als SPD-Kanzlerkandidat aus.
Tatsächlich taxieren die Umfrageinstitute die SPD in der Sonntagsfrage derzeit auf Platz drei hinter Union und AfD; laut Forsa ist sie aktuell mit 14 Prozent nicht einmal halb so stark wie CDU/CSU (32 Prozent). Die Hessen-Wahl vom 9. Oktober 2023 lässt grüßen: Dort hatte SPD-„Spitzenfrau“ Nancy Faeser für die SPD 15,1 Prozent und Platz 3 eingefahren: hinter 34,6 CDU-Prozenten, 18,4 AfD-Prozenten – nur knapp vor 14,8 „Grün“-Prozenten.
Für den Fall, dass die SPD 2025 tatsächlich hinter der Union liegt und sie nur die Wahl zwischen einer schwarz-roten Koalition und dem Gang in die Opposition hat, spricht sich eine klare Mehrheit der Sozialdemokraten für den Abschied von der Macht aus: 61 Prozent plädieren für die Opposition, nur 34 Prozent für eine erneute „Groko“. Beides wohl ohne Scholz!
Was die Spatzen von den Dächern pfeifen
Ein SPD-Urgestein, Hans-Peter Bartels, brachte den Zustand der Kanzler-SPD kürzlich auf den Punkt. Mit Sätzen wie diesen: „Scholz schießt – aber leider am Tor vorbei … Er führt nicht.“ „Die unselige Tendenz zur Bevormundung hat die Partei von Olaf Scholz … perfektioniert.“ Die Wähler „erwarten keine pompöse ‚Respekt‘-Propaganda, sondern einfach Achtung vor ihrem ganz normalen Lebensentwurf“. Dass die SPD am 9. Juni bei der Wahl zum EU-Parlament auf 13,9 Prozent abgestürzt sei, dafür könne man „tausend Gründe“ anführen: „widerborstige Koalitionspartner, missgünstige Opposition, undankbare Wähler, gemeine Medien, fiese Social-Media-Welt, böse Rechtspopulisten, sozialer, technischer Wandel, Klimakrise, Krieg, Inflation …“ Die SPD „kämpft nicht mehr um 40, sondern um 15 Prozent, nicht mehr um Platz 1, sondern sie verkauft es schon als Erfolg, nicht Vierter, sondern Dritter geworden zu sein“. „Dazu Riesendebatten um liberale Herzensthemen wie Geschlechteridentität und Cannabis-Legalisierung – die allerdings von vielen gerade nicht als die Hauptprobleme unserer Zeit wahrgenommen werden.“ Bartels’ Alternative heißt Boris Pistorius.
Interessant auch, was sich topaktuell in den Leserzuschriften der „Zeit“ sammelt: „Scholz ist ein Bürokrat, ein Verwalter für Friedenszeiten, aber kein Gestalter. Er versteckt seine Unentschlossenheit oder Angst hinter dem Begriff Besonnenheit … Scholz glänzt als Kanzler! Er glänzt in Abwesenheit. Er glänzt mit Erinnerungslücken. Er glänzt in Zögerlichkeit. Er glänzt mit verspäteten Entscheidungen. Er glänzt in Intransparenz … Wer wählt eigentlich noch SPD? Selbst meine Oma, die 60 Jahre nur SPD gewählt hat, wählt mittlerweile CDU … Wir haben einen Kanzler? … Ausfallerscheinungen hat er ja auch schon. Aber seine Gedächtnislücken sind schon sehr selektiv und treten nur bei Fragen nach Cum-Ex auf … Scholz ist ein schwacher Kanzler, der wie Merkel einen demoskopischen Regierungsstil verfolgt und jeder Auseinandersetzung aus dem Weg geht.“
Die vier Mühlsteine am Hals des Olaf Scholz
Erstens: Scholz hat in der SPD und im Kabinett eine sehr dünne Personaldecke
Wie man als Kanzler und als SPD im Dezember 2021 auf die Idee kommen konnte, eine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zur Verteidigungsministerin oder eine nicht minder farblose Bärbel Bas zur zweiten Person im Staat zu machen, erschließt sich immer noch nicht. Wie dürftig die Personaldecke innerhalb der SPD als Partei ist, zeigte die Wahl des/der SPD-Vorsitzenden bereits im Oktober 2019. Beim Mitgliederentscheid landete das Paar Scholz/Geywitz im ersten Wahlgang bei 22,68 Prozent. In der Stichwahl reichte es mit 45,33 Prozent nicht gegen das Gespann Esken/Walter-Borjans mit 53,06 Prozent. Damals gehörte schon viel dazu, als amtierender Bundesfinanzminister und Vizekanzler gegen solche Konkurrenz zu verlieren. „Unter Blinden ist der Einäugige König“, sagt der Volksmund. Das heißt: Nur Verteidigungsminister Pistorius ragt aus dieser Gurkentruppe ein wenig heraus. Wenn da nicht der Erz- und Militant-Pazifist Rolf Mützenich als SPD-Fraktionsvorsitzender wäre.
Zweitens: „Richtlinienkompetenz“ ist für Scholz ein Fremdwort
Scholz lässt seine Minister einzeln vor sich hin wursteln und sie ihre ideologischen Steckenpferde reiten: Innenministerin Faeser delegitimiert das Grundgesetz, indem sie immer neue Einschränkungen für Meinungs- und Versammlungsfreiheit erfindet, während sie importierte Gewalt nicht in den Griff bekommt. Gesundheitsminister Lauterbach kriegt nicht einmal ein solides Gesetz zur Freigabe von Cannabis hin und schwadroniert von Hitzetoten ab 20 Grad Celsius. Vizekanzler Habeck führt ein Vetternwirtschaftsministerium und enteignet de facto mit seinen Heizgesetzen Hunderttausende an Hauseigentümern. Sozialminister Heil wirft Abermilliarden für das „Bürgergeld“ zum Fenster raus. Außenministerin Baerbock und Umweltministerin Lemke blamieren Deutschland weltweit. Entwicklungshilfeministerin Schulze verteilt ohne jeden Nährwerte Hunderte von Millionen über den ganzen Globus. Bauministerin Geywitz kriegt keine Wohnungen hin. Familien- und Jugendministerin Paus legt Hand an den Steuer-Splittingtarif und fördert zusammen mit Faeser gigantische AntiFa-Programme. Landwirtschaftsminister Özdemir macht auf „lieb Kind“ bei den Bauern, erreicht für sie aber nichts. Nur die vier FDP-Minister Lindner, Buschmann, Wissing und Stark-Watzinger „funktionieren“ halb/viertelwegs geräuschlos, aber auch nur weil sie wie Scholz an ihren Ämtern klammern.
Drittens: Scholzens Non-Charisma als ein(e) Merkel 2.0
Die Auftritte des Olaf Scholz weisen intellektuell und rhetorisch den gleichen Gähnfaktor aus wie die Auftritte seiner Vorgängerin. Er „kommt nicht rüber“ – nicht einmal auf Parteitagen. Besucht er ein Fußballspiel, wird er ausgepfiffen. Das wiederum ist Merkel nicht passiert, schließlich besuchte sie die „Mannschaft“ inkl. Erdogan-Freund Özil sogar in der Kabine. Aber Merkel ist mit ihrer Politik der offenen Grenzen nicht nur die Ur-Mutter der AfD, sondern gewollt/ungewollt (?) auch die politische Ziehmutter eines Kanzlers Olaf Scholz. Hätte Merkel nicht unbedingt Armin Laschet als Kanzlerkandidaten haben wollen, wäre Scholz niemals im Kanzleramt gelandet.
Viertens: Scholz hat Cum-Ex-Leichen im Keller, und die beginnen zu stinken
Joe Biden (81) ist als Kandidaten für eine zweite Amtszeit zurückgetreten. Seine mentalen Aussetzer und Erinnerungslücken waren nicht mehr zu übersehen. Aber sie waren altersbedingt. Erinnerungslücken hat auch Olaf Scholz (66). Diese sind eher nicht altersbedingt. Aber sie beginnen zu wirken, vermutlich auch als Sorgen in der SPD.
Das Kandidatenkarussell dreht sich jedenfalls. Nur bei den „Grünen“ nicht mehr, denn dort hat Baerbock zugunsten eines viel, viel höheren Ziels, nämlich die Rettung und Befriedung der Welt, auf eine Kandidatur verzichtet.