Ein Bauernhof. Ein Unterstand für Pferde. So inszeniert das ZDF Ricarda Lang für das Sommerinterview. Die Grünen als die gute alte, naturnahe Kraft des Guten, Natürlichen. Zumindest im Staatsfernsehen hat die Partei noch ihre Freunde. Doch außerhalb dieser Schutzzone sieht es schlecht für die Grünen aus. Ihre Wähler laufen davon. Bei der EU-Wahl halbierten sie ihr Ergebnis fast. Besonders dramatisch fiel der Absturz bei den Erstwählern aus, die nun AfD und CDU attraktiver finden. Doch das ist noch nicht alles. Selbst die Tagesschau erkennt mittlerweile, dass die Grünen für viele zum „Feindbild“ geworden sind. Laut einer Insa-Umfrage sind sie nach der AfD die Partei, von der sich die meisten Wähler ausdrücklich distanzieren.
Acht Punkte haben die Grünen in einer Analyse vorgelegt, die sie künftig besser machen wollen. Dass diese Punkte vage formuliert sind, ist nicht das Problem. Das ist handelsüblich in der Politik. Entscheidender ist schon, dass Lang und ihr Co-Vorsitzender Omid Nouripour davon sprechen, die Leute hätten das Gefühl, dass die Politik nichts für sie mache. Das Gefühl. Als ob da jemand etwas Irrationalem nachgehe und es die Grünen bräuchte, dem Verwirrten das Gefühl zu nehmen und durch Wissen zu ersetzen. Mit dieser Arroganz nähert sich die Debatte schon eher der Frage, warum immer mehr Deutsche die Grünen strikt ablehnen.
Im Sommerinterview ruft Lang aus, die Grünen müssten die „führende Orientierungskraft“ in Deutschland werden. In dieser Aussage finden die beiden Gründe für die grüne Krise zusammen. Neben ihrer Arroganz ist das die fehlende Bereitschaft zu erkennen, dass sie nicht die Lösung sind – sondern das Problem. Die Grünen sollen die „führende Orientierungskraft“ werden. Werden. Als ob sie das nicht schon seit mindestens zehn Jahren sind. Als ob die Probleme Deutschlands nicht gerade daher kämen, dass die SPD, die CDU, die FDP und die Linken seit zehn Jahren grüner als die Grünen sein wollen – und oft genug auch sind.
Eine „Wirtschaftspolitik“ des Degrowth, die in der Realität tatsächlich zur Deindustrialisierung Deutschlands führt. Eine Energiepolitik, die auf die klimaneutrale Atomkraft verzichtet zugunsten von Windrädern im Wald. Eine Verkehrspolitik, die Pendlern das Autofahren vergällt, aber den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel vernachlässigt. Oder eine unkontrollierte Einwanderung, die Fachkräfte und Rentenzahler bringen soll. Aber während es an Fachkräften weiter mangelt und die Rente im europäischen Vergleich niedrig bleibt, steigt mit der Zahl der Zuwanderer auch die Zahl der erwerbsfähigen Empfänger von Bürgergeld, der schweren Gewaltverbrechen und der Wohnungslosigkeit.
Die Grünen sind die „führende Orientierungskraft“ in Deutschland: Ihre Intoleranz gegenüber anderen Meinungen hat sich die SPD zu eigen gemacht, wenn ihre Innenministerin Nancy Faeser Medien über das Vereinsrecht verbietet. Wenn sie Sturmhauben und den Verfassungsschutz auf politische Gegner hetzt. Die grüne Wirtschaftspolitik, nach der Unternehmen am besten funktionieren, wenn der Staat selbst Details reguliert und ein milliardenschweres Paket nach dem anderen raushaut, machen sich immer mehr in der CDU zu eigen. Allen voran Ursula von der Leyen in Brüssel. Und es war ein von der FDP gestellter Justizminister, der den Verweis auf nur zwei Geschlechter und die falsche Anrede von Geschlechtswechslern unter Strafe gestellt hat.
Die Grünen waren in den vergangenen zehn Jahren die „führende Orientierungskraft“. Weil sich die CDU unter Angela Merkel an dieser Kraft ausgerichtet hat, konnte die AfD überhaupt erst aufsteigen. Nachdem die Diffamierungskampagne grüner Medien gegenüber der AfD immer besser funktionierte, suchten die Unzufriedenen neue Parteien, um vor den grünen Parteien fliehen zu können: Volt, Bündnis Sahra Wagenknecht, Werteunion, Bündnis Deutschland oder der Erfolg der Freien Wähler in Bayern und Rheinland-Pfalz sind ein Ergebnis dieser Flucht vor der „führenden Orientierungskraft“.
Entweder hat Ricarda Lang nicht erkannt, dass die Unzufriedenheit der Wähler und der Aufstieg von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht eine direkte Folge des Endes des grünen Zeitgeists sind. Dass immer mehr erkennen, wohin dieser grüne Zeitgeist führt, wenn er in Regierungsverantwortung mündet. Oder Lang geht darüber hinweg, will grüne Ideen mit aller Macht durchsetzen, obwohl und gerade, weil sie nicht mehr Zeitgeist sind. Zuzutrauen ist es Lang.
Lang ist für viele rechte Kommentatoren nur eine Witzfigur. Das ist eine Fehleinschätzung und eine Arroganz, wie sie sonst den Grünen zuzuschreiben ist. Lang ist durchaus zuzutrauen, dass sie erkannt hat, dass sie grüne Ideen durchdrücken muss, weil der Zeitgeist nicht mehr hinter ihnen steht und eine freiwillige Umsetzung unmöglich macht. Das Problem sind die vielen grünen Anhänger in Politik und Medien, die diese Mechanik nicht erkannt haben, nämlich dass die Leute nicht umschwenken, weil es an grüner Orientierung mangele – sondern weil sie dieser überdrüssig sind. Diese grünen Anhänger werden sich von Lang auf die Linie einschwenken lassen, es brauche einfach nur mehr grüne Orientierungskraft.
Das beste Beispiel dafür ist der Klimaschutz: Klimakleber, die Arbeitnehmer auf ihrem Weg zur Arbeit blockieren, um dann selbst in Urlaub nach Bali oder Mexiko zu fliegen. Monatliche Berichte, dass nun genau dieser Monat der heißeste aller Zeiten – seit dem Urknall und davor – sei. Madenexperten, die auf Klimakenner umschulen und den „Höllensommer des Jahrtausends“ verkünden, in dem die Deutschen dann bei Regen und 20 Grad Celsius die Strickjacke raussuchen. 60 deutsche Städte, die bereits seit fünf Jahren im permanenten „Klimanotstand“ sind. Ein „Kind“, dass Kohlendioxide mit dem bloßen Auge sehen konnte, sich aber jetzt als das rausstellt, was es immer war: eine Marionette von PR-Agenturen, die sich nun auch noch mit antisemitischen Plüschfiguren umgibt. Klimaschutz ist als Thema reichlich diskreditiert. Zwar ist es durchaus sinnvoll, wenn acht Milliarden Menschen auf der Welt sparsam mit deren Ressourcen umgehen. Doch zu viele der Klimakatastrophen-Prediger erweisen sich als zu windige Figuren, als dass ihnen eine Mehrheit noch folgen wollte.
Ricarda Lang sagt etwas im Sommerinterview, das den Punkt trifft: Wollen die Grünen wieder erfolgreich sein, muss es ihnen gelingen, den Klimaschutz wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. In der Tat. Mit diesem Thema steht und fällt der grüne Erfolg. Das Problem der Grünen und ihrer Anhänger in den Medien ist nur: Mehr ist nicht mehr automatisch besser. Wenn sie ihre Agenda von Höllensommern, Todeshitzen und unbewohnbarem Planeten verstärken, führt das nicht automatisch zum Erfolg der Grünen. Sondern eher zu weiteren Trotzreaktionen. Das Thema Klimaschutz ist nur eines, aber sicher das anschaulichste, das zeigt: Wer sich die Grünen als Orientierungskraft auswählt, der landet ziemlich sicher in der Irre.