Freitags spät und samstags früh lohnt es sich am meisten, Nachrichten zu verfolgen. Dann, wenn das nur wenige tun. Die ganze Woche über tönt die Ampel, welch großartigen Projekte sie vorhat – und hecheln gleichzeitig die geneigten Journalisten in Lobreden auf diese Pläne hinterher. Freitags spät und samstags früh laufen die kleinlauten Meldungen über die nächste, einst lautstark angekündigte Idee, die von der Ampel im engsten Kreis der Angehörigen bestattet wird.
Zum Beispiel die „Zustellförderung für Zeitungen“. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel darauf geeinigt, notleidende Verleger finanziell unterstützen zu wollen. Damit deren Yachten nicht im Hafen verrotten, die Farmen in Kanada verwaisen und die Demokratie nicht stirbt. Denn darum gehe es eigentlich. Zumindest offiziell. Die Demokratie zu retten. Die hängt nämlich von auf toten Bäumen gedruckten Zeitungen ab. Und wenn der Bürger als Leser die Zeitung nicht mehr bezahlen will, dann nimmt die Ampel ihm auch diese Entscheidung ab und lässt ihn als Steuerzahler weiter für die Zeitung blechen, deren Abo er gerade gekündigt hat. Nach einem Papier des Wirtschaftsministeriums waren anfangs weit über 200 Millionen Euro als Förderung vorgesehen. Diese jährliche Summe sollte bereits in wenigen Jahren auf über 600 Millionen Euro pro Jahr steigen.
Doch die „Zustellförderung“ ist gestoppt. Vorerst. Die Nachrichtenagentur DPA zitiert am frühen Wochenende einen Sprecher von Medienministerin Claudia Roth (Grüne) entsprechend. Es fehle derzeit schlicht an Geld für das Projekt. Angesichts der Schuldenbremse sei es auch nicht absehbar, wann und ob dieses Geld jemals da sein werde.
Die Steuergeschenke für notleidende Verleger hatte schon die große Koalition unter Angela Merkel (CDU) auf ihrem Schirm. Doch ihr Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) scheiterte an einem Schlüssel, wie das damals noch vorhandene Geld verteilt werden sollte. CDU und SPD wollten schließlich auf keinen Fall ihre Geschenke in die Hände von Medien wie TE geben, die das am Ende noch nutzen würden, um kritisch über die Regierung zu berichten. Pfuibäh. Das Geld sollte ausschließlich Merkel geneigten Journalisten zukommen. Oder wie es in Neusprech heißt: „Qualitätsmedien.“ Doch Altmaier, sonst um keine Trickserei verlegen, fand partout keinen Weg, Qualität in seinem Sinne zu definieren und das Geld in seinem Sinne zu verteilen.
Zeitungen werben gerne und groß damit, „unabhängig“ zu sein. Wie weit das noch zutrifft, ist fraglich. Einst waren sie gut gemästete Goldesel mit zweistelligen Dividenden. Doch seit das Geschäft mit Werbung und Kleinanzeigen ins Internet abgewandert ist, zeichnen sich die Rippen dieser Esel ab. Die Ampel verbietet jetzt für immer mehr Produkte die Werbung und erhöht gleichzeitig die staatlichen Werbeetats. Sodass sich schon jetzt immer mehr Medien eine kritische Berichterstattung über die Ampel buchstäblich nicht mehr leisten können. Sie stehen so treu zur Regierung und deren Ideologie, dass sie so langweilig wie die Prawda und das Neue Deutschland zusammen geworden sind und folglich jedes Jahr zwischen fünf und zehn Prozent an Auflage verlieren. Was sie noch abhängiger von staatlichem Geld macht. Ein Teufelskreis.
Es mag paradox wirken und es zeigt, dass sich Medien gar nicht erst auf staatliche Leistungen einlassen sollten: Damit, dass Roth den Verlegern vorläufig ein Aus der möglichen Zahlungen verkündet hat, macht sie diese zu abhängigen Playern im politischen Spiel: Einigen sich CDU und Ampel darauf, die „Schuldenbremse“ auszuhebeln und damit einen Dammbruch in den Staatsfinanzen zu ermöglichen, könnte auch das gewünschte Geld in die Taschen der Verleger fließen. Wie viele Chancen hat ein Journalist in einem solchen Haus noch, kritisch über das Ende der „Schuldenbremse“ zu berichten? Wie glaubwürdig bleibt eine Zeitung, wenn sie ihren Lesern vorgaukelt, das Aus der „Schuldenbremse“ sei die Rettung für das Land – wenn es in erster Linie die Rettung für die marode Zeitung ist?
Medien können nicht neutral über ein Thema berichten, in dem sie selber Partei sind. Selbst wenn sie es versuchen. So kommentierte die Frankfurter Rundschau zum Ende von Rot-Grün und zum Beginn der Merkel-Ära kritisch die Leiharbeit, wie sie in den Hartz-Gesetzen verändert wurde. Gleichzeitig veranlasste die FR die Gründung der Leiharbeit Agentur „Pressedienst Frankfurt“ (PDF). Diese stellte alle jüngeren Journalisten ein, die vor einer möglichen Festanstellung bei der FR standen. Eine ganze Journalisten-Generation degradierte die FR zu Leiharbeitern und Redakteuren zweiter Klasse. Bei anderen Medien hätte die Rundschau durchaus über einen solchen Vorgang berichtet. Doch aus der eigenen Zeitung erfuhr der FR-Leser nichts davon. Klar. Denn Medien können nicht neutral über ein Thema berichten, in dem sie selber Partei sind. Indem die Verlegerverbände die „Zustellförderung“ gefordert haben, haben sie ihre Medien in Sachen „Schuldenbremse“ zur Partei gemacht. Das sollte jeder Leser wissen, wenn seine Zeitung einen großzügigeren Umgang des Staats mit neuen Schulden fordert.