„Der Bundesarbeitsminister kümmert sich vor allem um Leute, die nicht arbeiten.“ Manchmal hört man doch noch Sätze im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die einem den Glauben an die Vernunft der Deutschen wiedergeben, zumindest für kurze Zeit.
Die gerade zitierte Aussage durfte Dieter Nuhr in seiner ARD-Satiresendung zum Besten geben. Der Satz war also als Witz gemeint. Dabei ist er gar nicht komisch, sondern nur eine völlig korrekte Zusammenfassung des unheilvollen Wirkens von SPD-Strippenzieher Hubertus Heil. Der 51-jährige Berufspolitiker war selbst nie außerhalb der Politik tätig. Freie Wirtschaft und Wertschöpfung kennt er nur vom Hörensagen. Vielleicht rührt daher die Geringschätzung für den klassischen Werktätigen, die sich in Heils Politik gut erkennen lässt.
Aktive und ehemalige Steuerzahler waren früher die sozialdemokratische Kernklientel. Heute werden sie von der Heil-SPD zwar unverdrossen in Sonntagsreden beschworen, doch das ist nur noch eine Art historische Folklore. In Wahrheit spielen Arbeitnehmer und Rentner keine Rolle mehr für die Partei. Die Sozialdemokratie ist schon lange aus der Werkshalle aus- und in das Lehrerzimmer umgezogen.
So kommt es, dass allzu viele alte Menschen bei uns buchstäblich nach den Früchten ihres arbeitsreichen Lebens suchen müssen – und zwar im Abfall.
Andere Länder gehen durchaus anders mit ihren Alten um. Die Niederländer arbeiten etwas länger (gut 66 Jahre), bekommen dann aber sage und schreibe 89 Prozent ihres letzten Nettogehalts als Rente. Die Griechen bekommen 84 Prozent nach 62 Jahren, die Italiener 82 Prozent nach 64 Jahren. Die Franzosen bekommen zum Renteneintritt mit 62 auch immerhin noch 74 Prozent vom letzten Netto.
Nein, Rentner bei uns will man nicht sein. Man bekommt schon jetzt viel weniger als in den anderen großen und wohlhabenden Ländern. Und es wird absehbar bald noch weniger sein.
Deutschlands Wohlstand schmilzt wesentlich schneller weg als die Eisberge am Nordpol. Halbwegs verantwortungsbewusste Politiker könnten in so einer Situation auf die Idee kommen, Steuergelder nur noch für das unbedingt Notwendige auszugeben – und ansonsten ausschließlich für das, was den wirtschaftlichen Niedergang zumindest bremst. Unsere real existierenden Politiker dagegen hauen die Taler in rauen Mengen für jedes noch so abwegige Traum-, Wunsch- und Lieblingsprojekt raus. Energiewende, Verkehrswende, Ernährungswende, Post-Kolonialismus und „feministische Außenpolitik“ kosten, und das nicht zu knapp. Allein 45 Bundesbeauftragte und Bevollmächtigte leistet sich die Ampel.
Das passiert vor aller Augen. Um 4,57 Prozent wurden die Renten zuletzt angehoben. Die Preissteigerung im vergangenen Jahr lag bei rund 5,9 Prozent. Die Inflation – die unser Staat vor allem über seine Energie- und Geldpolitik maßgeblich befeuert hat – macht unsere Rentner also spürbar ärmer. Doch der Staat denkt nicht daran, daran etwas zu ändern.
Auch sonst werden sich Deutschlands Senioren noch umgucken. Bundeskanzler Olaf Scholz hat gesagt, dass es eine Erhöhung des Renteneintrittsalters mit ihm nicht geben werde. Wir können also praktisch sicher sein, dass es eine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben wird.
Und leider ist es eine unselige Tradition der deutschen Arbeitgeber, jeden politischen Quatsch mitzumachen, solange er nur von der eigenen Mitverantwortung für Missstände ablenkt. Folgerichtig beteiligt sich der Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall geradezu freudig an der Diskussion über eine längere Lebensarbeitszeit: Schlagzeilenträchtig fordert Stefan Wolf die Rente mit 70 – zumindest für Büro-Angestellte.
Das ist gleich auf mehreren Ebenen so bizarr, dass es schon fast wieder lustig ist.
Gerade die Metallindustrie lebt ja nun wirklich nicht von Schreibtischtätern, sondern von den vielen verschiedenen Spezialisten an den Hochöfen und drumherum. Für diese Gruppen schließt Wolf ein späteres Renteneintrittsalter aber ausdrücklich aus. Sein spektakulärer Vorschlag brächte seiner eigenen Branche also – nichts.
Zudem klagen Deutschlands Wirtschaftsführer von früh bis spät über den angeblichen Fachkräftemangel. Es fehlen ausgebildete Spezialisten in vielen industriellen Berufsbildern, heißt es – bekanntlich bis hinein in die Dienstleistungsbranche, in der Pflege und in der Gastronomie zum Beispiel. Doch auch an diesem Problem ändert der Vorschlag des Herrn Wolf – nichts.
Vielleicht ist das alles ja aber auch nur eine Rauchgranate, mit der vernebelt werden soll, welchen Eigenanteil Deutschlands Arbeitgeber zum Niedergang des Landes beisteuern – und hier vor allem die Arbeitgeberverbände. Denn die werden leider nicht von Firmeneigentümern beherrscht, sondern von Managern. Letztere führen sich zwar meist auf, als seien sie Unternehmer – sie sind aber keine. Sie sind hochbezahlte Angestellte. Oder anders: Söldner.
Jahre, wenn nicht Jahrzehnte lang haben diese hochbezahlten Angestellten verhindert, dass in Deutschland genügend Fachkräfte ausgebildet werden. Denn das war den Managern zu teuer. Es hätte die kurzfristige Rendite geschmälert – und damit die Berechnungsgrundlage für die eigenen Boni.
Auch die Abwanderung einheimischer Mitarbeiter in andere Branchen, wo besser bezahlt wurde, hat man hingenommen. Als dann Arbeitskräfte knapp wurden, hat man den Staat gedrängt – und tut es bis heute – billige ausländische Arbeitskräfte ins Land zu holen. Die sozialen Kosten der Einwanderung hat man kalt lächelnd der Allgemeinheit vor die Füße gekippt. Es wäre vermutlich nicht völlig ungerecht, Manager mit einem solchen Gedankengut als vaterlandslose Gesellen zu bezeichnen.
Jetzt sollen also die Rentner dran glauben. Viele Jahre lang konnten die Unternehmen ihre älteren, erfahrenen Mitarbeiter gar nicht schnell genug loswerden. Nun plötzlich will man sie am liebsten überhaupt nicht mehr gehen lassen.
Die Kurzsichtigkeit der deutschen Manager-Kaste ist atemberaubend. Gleichzeitig verhalten sich Deutschlands Politiker wie Süchtige: stets auf der Suche nach der nächsten Geldspritze und unfähig, ohne eine immer höhere Dosis ihrer Droge „Steuereinnahmen“ zu überleben.
Es ist klar, dass das alles seinen Preis hat. Irgendwer wird das alles bezahlen müssen. Und es sieht so aus, als wären das Deutschlands Alte.
Natürlich zwingt niemand Deutschlands Rentner dazu, seit vielen Jahren ausgerechnet jene Politiker zu wählen und wiederzuwählen, von denen sie ausgenommen werden wie die sprichwörtliche Weihnachtsgans. Aber umgekehrt hat auch niemand diese Politiker dazu gezwungen, sich ausgerechnet auf Kosten der Rentner einen schlanken Fuß zu machen.
Möglicherweise hat ja aber das Schicksal doch auch einen feinen Sinn für Humor. Denn die entfesselte Ausgabenorgie der aktuellen grün-roten Gesellschaftswender wird nicht ausschließlich von den Rentnern der Boomer-Generation bezahlt. Einen mindestens genauso großen Teil der Zeche werden die ganz Jungen bezahlen. Die Schulden von heute sind der Wohlstandsverlust von morgen, daran führt kein Weg vorbei – auch wenn noch so viele Regierungssprachrohre wie Marcel Fratzscher willfährig das absurde Gegenteil verbreiten.
Die Jungen werden morgen noch mehr unter der Ampel-Politik zu leiden haben als die Rentner heute. Nur werden sie es erst viel zu spät merken: Denn sie lernen in der Schule zwar, sich wegen buchstäblich jedes Missstandes auf der Welt schuldig zu fühlen.
Aber sie lernen leider nicht rechnen.