Tichys Einblick
Keine Bereitschaft zur Aufarbeitung

Das Corona-Dreigestirn krönt sich selbst

Dass Madame von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin wiedergewählt wurde, und dass Markus Söder Angela Merkel zum Geburtstag eine merkwürdige Eloge hält, hat noch immer mit dem Ereignis zu tun, dass eigentlich viele Patentdemokraten entlarvt hat: Corona.

Vieles hängt miteinander zusammen: Dass Madame von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin wiedergewählt wurde, und dass Markus Söder Angela Merkel zum Geburtstag eine merkwürdige Eloge hält, hat noch immer mit dem Ereignis zu tun, dass eigentlich viele Patentdemokraten entlarvt hat: Corona.

I.

Am Donnerstag begann die heute-Sendung des ZDF allen Ernstes mit dem Satz: „Europa“ (gemeint war die EU) „hätte heute eine Krise drohen können; aber dazu ist es nicht gekommen.“ Wie bitte? Ursel von der Leyen nicht wieder zur Kommissionspräsidentin zu wählen, wäre kein Schaden gewesen, im Gegenteil. Womöglich ist der Umstand, dass UvdL noch einmal die Bestätigung im Parlament fand, ein beredtes Zeichen der tiefen Krise, in der die reformunfähige EU seit Langem steckt. Die listige Klassenstreberin hat sich wieder einmal durch die Reihen gegrinst. Niemand weiß, mit wem sie alles welche Deals geschlossen hat, um sich die Stimmenmehrheit zusammen zu dienern.

II.

Es hätte ungefähr siebzehn Gründe dafür gegeben, ihre Präsidentschaft endlich zu beenden. Die Mehrheit aber ließ sich nicht einmal davon beeindrucken, dass das EU-Gericht in Luxemburg die Kommissionspräsidentin nur einen Tag zuvor verurteilt hat. Sie verstieß gegen EU-Recht, indem sie Informationen über den höchst dubiosen Einkauf von Corona-Impfstoff widerrechtlich geheim hielt. Mauscheleien in Hinterzimmern: ihr wahres Talent. Es geht in der Sache um den Verdacht der Veruntreuung von Milliarden. Mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte und Entschädigungsregeln für Impfstoff-Hersteller habe die Brüsseler Behörde nicht ausreichend Zugang zu Dokumenten gewährt, entschieden die Richter. Die EU-Kommission hatte in den Jahren 2020 und 2021 mit Pharmaunternehmen Verträge über Hunderte Millionen Dosen Impfstoff verhandelt und abgeschlossen. Die Verträge blieben geheim. Volle Transparenz verhinderte Frau von der Leyen.

III.

Der größere Zusammenhang der Affäre darf nicht vergessen werden. Von der Leyen handelte damals im Interesse von Bundeskanzlerin Merkel, der sie ihre gesamte Karriere – an demokratischen Wahlen vorbei – verdankt. Wie Merkel fuhr sie einen scharfen Kurs in Sachen Corona. Und nun war es Manfred Weber von der CSU, der mächtige Strippenzieher (Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP), der die Mehrheit für von der Leyen im Hintergrund organisierte. Was das mit der Corona-Politik zu tun hat? Eine ganze Menge.

IV.

Es war schließlich Webers Parteichef Markus Söder, der als bayerischer Ministerpräsident am widerwärtigsten auf Bürgerrechten herumtrampelte, ohne dafür belangt zu werden. Als selbsternannter Chef des „Teams Vorsicht“ verhängte er Ausgangssperren und trat die Liberalitas Bavarica mit Füßen. Söder ist auch noch stolz darauf. Anlässlich des 70. Geburtstags von Angela Merkel gab er jetzt – wiederum im ZDF – eine besondere Liebeserklärung an die Schwester im Ungeist ab. Mit Merkel habe er zwar in der Migrationspolitik „große Differenzen“ gehabt, sagte Söder, aber, und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, „während der Corona-Pandemie hat sich bei mir alles geändert“. In jener Zeit habe sich ein starkes Vertrauensverhältnis entwickelt, „wir konnten uns aufeinander verlassen“.

V.

Weder von der Leyen noch Söder zeigen irgendeine Bereitschaft zur Aufarbeitung dieser Zeit haarsträubender Entscheidungen. Sie lernen auch nichts hinzu, brüsten sich noch mit Verschwendung und Freiheitsberaubung. Im selben ZDF-Interview sagte Söder: Die „ganz große Mehrzahl“ der Menschen im Land sei mit den Corona-Maßnahmen zufrieden gewesen, sie bräuchten keine Aufarbeitung. Das ist zynisch und falsch. Für Millionen Menschen – Alte, die einsam sterben mussten, traumatisierte Kinder, ruinierte Existenzen – bedeutete das Corona-Regiment Merkels und Söders den Bruch ihres Grundvertrauens in den Staat.

VI.

Doch Söder und von der Leyen wissen, wie man notwendige demokratische Debatten verhindert. Von der Leyen keift gegen den „bösen“ Ungarn Orbán. Dass sie mit dem amtierenden Ratspräsidenten auf Kriegsfuß steht, weil er sich von ihr nicht genehmigen ließ, auch mit Gottseibeiuns Putin zu sprechen, hat ihr im Parlament linke Stimmen eingebracht. Söder wiederum behauptet einfach, ein „wirklich ganz großes Interesse“ an Aufarbeitung habe nur die AfD. Das ist zwar Unsinn, aber typisch. Söder kann ihn sich leisten, attestieren ihm doch Meinungsumfragen für den geeignetsten Kanzlerkandidaten gehalten zu werden. Der Mann ist als leitender Angestellter der Bundesrepublik ungeeignet. In der Pandemie hat er es bewiesen. Wie er heute damit umgeht, bestätigt es.


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