Tichys Einblick
Immer mehr kommt ans Licht

Visa-Skandal zieht Kreise: Opposition fordert Rücktritt, Abschiebungen, Strafverfahren

Im politischen Berlin wird heftig diskutiert, was aus den fragwürdigen, von höchster Ebene aus durchgedrückten Visa-Vergaben an Afghanen und andere zu folgen hat. Die AfD will Abschiebungen oder besser noch eine neue Regierung. Hans-Georg Maaßen und andere fordern darüber hinaus eine Aufarbeitung durch die Justiz.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Ein entfachtes Buschfeuer, das sich nicht austreten lässt: So mag einem der Visa-Skandal um das Auswärtige Amt derzeit vorkommen. Der Skandal rund um die fragwürdige Einreise von tausenden Afghanen, aber auch Pakistanern, Türken, Syrern und Bürgern afrikanischer Länder, immer mittels vom Auswärtigen Amt ausgestellten fragwürdigen Visa, die inzwischen kriminalpolizeilich untersucht werden, lässt das politische Berlin auch im Sommer nicht zur Ruhe kommen. Jeden zweiten Tag flammen neue Meldungen auf und legen Feuer an die Streichholzburg der Außenministerin. Gegen leitende Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes ermitteln die Staatsanwaltschaften in Berlin und Cottbus – wegen Rechtsbeugung.

Chaos oder Korruption – oder beides
Visa-Skandal: Baerbock verweigert Angaben zu eingereisten Afghanen
Derweil versuchte das Auswärtige Amt, den Schwarzen Peter den eigenen Botschaftsmitarbeitern oder auch der Bundespolizei zuzuschieben – beides ohne rechten Erfolg. Die Verantwortung bleibt an der Leitungsebene kleben und zeigt mit allen Fingern auf die Ministerin Annalena Baerbock selbst, deren Amtsführung als nicht anders denn kontrovers zu bezeichnen ist. In die Aufstellung der Passagierlisten für die Flüge von Islamabad nach Berlin sind zwielichtige und schlichtweg unbekannte, namenlose NGOs verwickelt, deren Treiben folglich niemand überprüfen kann. Das ist, kurz gesagt, der schlimme Stand der Dinge. Sicher weiß man nur, dass die NGO „Kabul Luftbrücke“ des grünen EU-Abgeordneten Erik Marquardt an den „Auswahlrunden“ beteiligt ist.

In der Unionsfraktion denkt man nun angeblich über einen neuen Untersuchungsausschuss zur neuen Visa-Affäre nach. Und den fordert auch die AfD-Parteisprecherin und Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel. Das Auswärtige Amt unter Leitung von Frau Baerbock habe „einen Skandal verursacht, dessen Ausmaße noch gar nicht zu überblicken sind“, Baerbock habe „Deutschlands Sicherheit und Ansehen in der Welt schweren Schaden zugefügt“, so Weidel gegenüber Tichys Einblick: „Das schreit förmlich nach einem Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag, dem sich auch die CDU nicht verschließen kann, wenn sie sich einen Rest Glaubwürdigkeit bewahren will.“

Hans-Georg Maaßen, den Vorsitzenden der Werteunion, erinnert die Situation an die 2000er-Jahre, als die Grünen schon einmal der Grund für einen Visa-Untersuchungsausschuss waren, weil damals Joschka Fischer und Ludger Vollmer im Auswärtigen Amt „veranlasst hatten, in hohem Umfang Visa ohne Rechtsgrund zu erteilen“. Dies wiederhole sich jetzt, „aber in einer neuen unvergleichbar größeren Dimension“, sagte Maaßen am Dienstag im Gespräch mit Tichys Einblick: „Das Auswärtige Amt kennt offensichtlich keine roten Linien mehr und hält sich weder an Recht und Gesetz.“

Aus Maaßens Sicht sollte jetzt „nicht nur die politische Aufarbeitung durch einen Untersuchungsausschuss erfolgen, sondern vor allem und in erster Linie eine strafrechtliche Aufarbeitung des Fehlverhaltens des Auswärtigen Amtes, seiner Mitarbeiter und vor allem von Bundesministerin Baerbock“. Die Werteunion werde sich für ein Strafverfahren gegen Frau Baerbock einsetzen. Maaßen votiert für eine Kombination aus der „justiziellen und politischen Aufarbeitung dieses Visa-Skandals“.

Keuter: Den Import stoppen, Rückführungen organisieren

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Visa-Skandal: Rücktritt jetzt! Baerbock hat es verbockt
Für Stefan Keuter, AfD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss und Mitglied im 1. Untersuchungsausschuss (Afghanistan), zeigt das Aufnahmeprogramm für Afghanen „sehr deutlich“, dass „Deutschland die Kontrolle über seine Grenzen und die Migrationspolitik verloren“ hat. Das fängt laut Keuter damit an, dass „keine ehemalige Ortskraft nachweislich durch Taliban zu Schaden gekommen ist“. Zudem hätten die Taliban „mehrfach“ zugesichert, dass ehemalige Ortskräfte nichts zu befürchten hätten. Ein „Verbringen von afghanischen Großfamilien nach Deutschland“ heute ist daher für Keuter „nicht mehr zu rechtfertigen“.

Keuter weiter: „Wir brauchen eine große Rückführungsinitiative. Während Deutschland immer noch Monat für Monat hunderte Afghanen nach Deutschland einfliegt, haben deutsche Organisationen schon wieder in Afghanistan angefangen, neue Ortskräfte zu rekrutieren.“

Zudem bleibe es beim neuen Bundesaufnahmeprogramm „völlig intransparent“, welche (vermeintlichen) Afghanen von welcher Organisation als legitime Kontingentflüchtlinge benannt werden können. Laut Keuter blieben parlamentarische Fragen der AfD vielfach unbeantwortet. Aus diesem Grund sah er sich gezwungen, im Rahmen einer Organklage das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Keuter war es auch, der dank einem Whistleblower die Berichterstattung zum Fall Mohammad Ali G. (und zu dessen angeblichem Bruder Khan G.) ins Rollen brachte.

„Ein einziger Fake, orchestriert von Grünen im One-World-Wahn“

Der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Matthias Moosdorf, bewertet die Vorgänge so: „Die freihändigen Visa-Vergaben an Afghanen setzen einer außer Kontrolle geratenen Migrationspolitik nur die Krone auf. Die Bundesregierung hat auf unsere Anfragen zugeben müssen, dass keine Fälle bekannt sind, in denen ehemalige Ortskräfte durch die Taliban verfolgt worden sind. Die ganze Aktion ist ein einziger Fake, orchestriert von irregeleiteten Grünen in ihrem One-World-Wahn.“

Moosdorf fordert eine sofortige „Aufarbeitung, Strafverfolgung der beteiligten Verantwortlichen, Rücktritt der Ministerin Baerbock und umgehende Abschiebung der grundlos eingereisten Afghanen“. Deutschlands internationaler Ruf sei durch die ideologiegeleitete Außenpolitik der Marke Baerbock „geradezu erodiert“.

Daneben glaubt Moosdorf an eine noch größere Dimension des Skandals um unrechtmäßig ausgestellte Visa im Auswärtigen Amt (AA): „Mein Gefühl sagt mir, dass wir innerhalb des unfassbaren Sumpfes erst am Anfang stehen. Mit welchen parlamentarischen und strafrechtlichen Mitteln wir die Aufarbeitung begleiten, wird von der Reaktion des AA abhängen. Momentan sehe ich keine Korrektur, sondern ein rechthaberisches Beharren.“ Der Sachverhalt sei „ein einziger Skandal“.

Willsch: Grüne stellen Sicherheitsrisiko fürs Land dar

Tichys Einblick hat natürlich auch die offiziellen Sprecher für das Innen- wie das Außenressort und weitere Vertreter der CDU, CSU und dem Koalitionspartner der Grünen, die FDP angeschrieben. Bis jetzt sind keine Antworten von offiziellen Sprechern in den beiden Aufgabenbereichen eingegangen. TE wird sie gerne nachliefern, falls sie kommen.

Am Ende kam doch noch eine Reaktion aus der Unionsfraktion, wenn auch nur von dem TE auch als Gastautor verbundenen Klaus-Peter Willsch, zudem ordentliches Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Willsch übt sich – stellvertretend für seine Fraktion – in Geduld. Man will die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften in Berlin und Cottbus abwarten, bevor man weitergehende Schlüsse zieht. Also alles halb so schlimm? Nein, das auch wieder nicht. Man nehme die „in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe, dass hochrangige Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes in der deutschen Botschaft in Islamabad angewiesen haben sollen, falsche Visa auszustellen“ sehr ernst. „Diese Vorwürfe untergraben das Vertrauen in unsere Bundesbehörden und damit in die Grundpfeiler unseres Staates.“

In „vorzeitigen“ Spekulationen will sich aber auch Willsch nicht ergehen – ähnlich wie der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Johann Wadephul, der ein Statement ablehnte. Auch Willsch gibt aber zu: „Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, müssen die entsprechenden strafrechtlichen, dienstrechtlichen und politischen Konsequenzen gezogen werden. Ein Untersuchungsausschuss wäre eine mögliche politische Maßnahme.“ Auch die Einleitung eines solchen Ausschusses hänge aber „von der Schwere der möglichen Visa-Affäre, dem daraus resultierenden Schaden und den endgültigen Ermittlungsergebnissen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden“ ab. Die Union ist also noch bei der Frage, ob es einen Visa-Skandal gibt oder nicht.

Rein persönlich sieht Willsch in den Vorgängen, „sofern sich die Anschuldigungen bestätigen“, „einen weiteren Beweis dafür, dass die Grünen mit ihrer eigenen Mischung aus Arroganz und Inkompetenz ein Sicherheitsrisiko für unser Land darstellen und in der Regierung nichts verloren haben“. Wenn man diese Auffassung dann auch noch von einem offiziellen Fraktionssprecher in Sachen Innen- oder Außenpolitik hören könnte, wäre schon etwas gewonnen. Aber das Agieren und vor allem das Schweigen der Unionsfraktion lässt insgesamt eher darauf schließen, dass sie den an sich von verschiedenen Medien (Cicero, Business Insider, TE, Focus, Welt am Sonntag) hinreichend ausgebreiteten und erklärten Skandal decken will. So hart darf man wohl auch eine klar als inkompetent erkannte politische Gegnerin (Annalena Baerbock) nicht angehen, solange eine Koalition im Bund mit ihr noch denkbar scheint und bleiben soll. Mehr Öffentlichkeit für die Vorwürfe gegen Baerbock und ihr Haus will die Union anscheinend vermeiden. An dieser Stelle hält sich auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bemerkenswert zurück, von dem – bei zugegeben knapper Zeit – ebenfalls keine Reaktion kam.

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