Tichys Einblick
Nach der Europameisterschaft

Deutschland bleibt Bas und wird nicht besser

Politik und Staatsmedien glauben, dass die Euphorie der Europameisterschaft die Stimmung im Land nachhaltig gedreht hat. Das ist so sehr Wunschdenken, dass es schon lustig ist. Vor allem, wenn Bärbel Bas redet.

Bärbel Bas (SPD), Bundestagspräsidentin, Fußball-EM-Finale Spanien–England, Olympiastadion Berlin, 14. Juli 2024

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Die spanischen und englischen Fans pilgerten am Sonntag zum Berliner Olympiastadion. Ihre Teams hatten das Finale der Europameisterschaft erreicht. Ihnen zogen Deutsche hinterher. Um die Pfandflaschen aufzusammeln, die Spanier und Engländer zurückließen. Einer anderen Gruppe war das zu viel ehrliche Arbeit. Ihre Mitglieder zogen den Fußballfans hinterher, um sie gleich anzubetteln. So sieht das aus, wenn die Uefa ein Turnier in ein Entwicklungsland vergibt – oder halt in die deutsche Hauptstadt. Mentales Entwicklungsland.

Die Ampel und ihre Medien beschwören aus dem Turnier heraus eine Aufbruchstimmung. Sie soll den Trend umkehren und den Ampelparteien zu einem Wahlsieg im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg verhelfen. Das sagt zumindest Bärbel Bas (SPD) kurz nach der Geisterstunde im Deutschlandfunk. Wer sie nicht kennt: Bas ist die Präsidentin des Bundestages, eines der höchsten Ämter in Deutschland, was wenige wissen, weil die Parteien es nach Quoten besetzen, oder um verdiente, aber blasse Parteisoldaten abzufinden. Bas wurde für das Amt quasi geboren.

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Die Präsidentin freut sich im Deutschlandfunk auch über Fußballer, die sich politisch äußern. Das sei ihre gesellschaftliche Verantwortung. Der Moderator riskiert seinen Job und fragt nach, ob das auch für Toni Kroos gelte. Der deutsche Spielmacher hatte öffentlich gesagt, dass sich Deutschland in den letzten Jahren stark verändert habe und er mit seiner Familie daher in Spanien bleiben wolle. Der höheren Sicherheit wegen. Bas klingt jetzt so, als ob ihr der Moderator einen stinkenden Fisch unter die Nase gehalten habe. Es gebe ja noch andere Stimmen und Kroos liege falsch. Bas ist ganz eine Vertreterin dieser Politiker-Generation. Ihrer Meinung zu sein, ist Haltung, eine andere Meinung zu haben, falsch.

Der Moderator versucht den stinkenden Fisch gutzumachen und legt Bas die Suggestivfrage vor, ob sie nicht auch glaube, dass die gute Stimmung der Europameisterschaft Deutschland künftig tragen werde und vielleicht sogar zu einer Trendumkehr vor den Landtagswahlen im Herbst führen werde. Denn da liegt die AfD vorne und das ist für Bas wie für den Deutschlandfunk ganz falsch. Ja, das glaube sie, sagt die Präsidentin. Gut, dass der Moderator für sie vorformuliert hat. Mit Worten hat es die verdiente Parteisoldatin nicht so.

Mit Inhalten auch nicht. Gute Stimmung durch die Europameisterschaft? Gar Euphorie? Der gebotene Sport war meist uninspirierter, defensiver Standfußball. Nur wenige Teams wie Spanien, Deutschland oder die Türkei haben wirklich Spaß gemacht. Zwar lässt sich Stimmung nicht in Zahlen ausdrücken. Aber seine Begleiterscheinungen. Der Bierkonsum ist von Mai auf Juni zurückgegangen. Trotz Europameisterschaft. Trotz Sommer. Nach dem Ausscheiden des deutschen Teams im Viertelfinale ging auch der Besuch in den Fanmeilen zurück. Euphorie sieht anders aus.

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Die deutschen Probleme endeten nicht für vier Wochen. Manche blieben genauso sichtbar wie vorher. Etwa wenn der „Mann mit Messer“ ™ Fußballfans beim Fernsehschauen in ihrem eigenen Hof angriff oder in der Hauptstadt in schöner Regelmäßigkeit arabische Nationalisten mit Sozialisten aus Deutschland demonstrierten, wie sehr sie den Mördern der Hamas nahestehen. Den berümtesten Fansong steuerten auch nicht die siegreichen Spanier bei oder die deutschen Gastgeber, sondern die Österreicher: „Die doitsche Bahn ist so oam Oarsch, die doitsche Bahn ist sooo oam Oarsch.“ Treffender ließen sich die Verkehrsprobleme im austragenden Entwicklungsland nicht zusammenfassen. Wobei man fair gegenüber der Bahn bleiben muss. Wegen der maroden Autobahnbrücken standen auch Auto fahrende Fußballfans im Stau.

Manche Probleme werden nach dem internationalen Turnier noch besser sichtbar. Die Grenzkontrollen fallen wieder weitgehend weg. Zwar erklärt Innenministerin Nancy Faeser (SPD), wie erfolgreich die waren. Doch sie führt sie nicht weiter. In der Ideologie der Ampel geht es ganz viel um Haltung zeigen und nur sehr wenig um intelligentes Regieren – oder gar erfolgreiches. Genau darüber entscheiden aber die Bürger im Herbst. Und deswegen bleibt die Ampel Bas und wird nicht besser.

Durchaus notwendige Reperaturen hat die Ampel auf die Zeit nach dem Turnier verschoben. Etwa die der maroden Bahnstrecken. Die zwischen Mannheim und Frankfurt bleibt nun für ein halbes Jahr gesperrt. Planmäßig. Was diese Pläne wert sind … Die Pendler werden sich gedulden müssen und während sie auf Bahnsteigen stehen und den genuschelten Ansagen der Bahn lauschen, werden sie sehnsuchtsvoll an ihre Gäste aus Österreich zurückdenken, die das ganze Treiben so herrlich auf den Punkt gebracht haben. Doch. Die Europameisterschaft war schön. Aber danach bleibt Deutschland Bas und wird nicht besser.

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