Attentat auf Trump: Politiker bemühen sich um Schadensbegrenzung
Matthias Nikolaidis
Das Attentat auf Donald Trump könnte ein Wendepunkt sein. Das internationale Polit-Establishment sieht sich zur Solidarität gezwungen und zeigt so, dass man allgemein einen Sieg Trumps erwartet. Zugleich versucht man, ihn in die eigene Politkaste einzuordnen. Das wird mit einiger Gewissheit schiefgehen.
Am späten Samstagnachmittag Ortszeit geschah ein Ereignis, zu dem sich mehrere Parallelen in der Geschichte der USA finden. Von den Morden auf Abraham Lincoln und John F. Kennedy bis hin zu zahllosen Versuchen, verschiedene Präsidenten im Weißen Haus zu ermorden – die meisten davon blieben auf geradezu groteske Weise erfolglos.
Bemerkenswert und tragisch sind verschiedene Punkte an dem aktuellen Geschehen: Bald nach dem Attentat tauchte die Mitteilung in Bild und Ton eines Trump-Unterstützers auf, der sagte, er habe die Polizei auf den Attentäter hingewiesen, der da schon auf dem Dach gewesen sei. Die Polizei habe keine Maßnahmen ergriffen. Der Unterstützer hätte einen Abbruch der Veranstaltung erwartet.
Der Zeuge ist besorgt um seinen Präsidentschaftskandidaten, die Presse strickt – wenn auch nur in Andeutungen – schon bald an einem Gegen-Narrativ: Das Attentat sei eine False-flag-Operation gewesen. Aber absolute Sicherheit wird es nicht geben. Anscheinend war der Attentäter für die Sicherheitskräfte nicht direkt zu sehen. Der Zeuge spricht von einigen „Minuten“ Zeit.
Ein Zuschauer starb laut Berichten durch Schüsse des Attentäters, zwei andere wurden lebensgefährlich verletzt. Laut Berichten eines Augenzeugen (ist dieser Kevin Rogak nun Rettungssanitäter oder beim FBI?) gab es viel spontane Hilfsbereitschaft in der Menschenmenge. Die beiden blutigen Striemen und der Schuss durch sein Ohr zeigen, wie knapp es auch für den ehemaligen Präsidenten war. Als er von Sicherheitskräfte umringt wird, wendet sich Trump an die Menge vor ihm, reckt die rechte Faust hoch und sagt dreimal ein Wort: „Fight!“ Gleichzeitig werden in seinem Rücken die Rufe „U.S.A.“ intoniert.
Trump wird von der Polit-Kaste willkommen geheißen
„Kaum vorstellbar“ war es, weiß der USA-Flüsterer auf Welt, dass ein Schütze ein solches Attentat auf einer republikanischen Wahlkampfveranstaltung begehen konnte. Und er weiß: Nach dem Attentat auf Ronald Reagan am 30. März 1981, bei dem der Präsident verwundet wurde, gingen dessen Popularitätswerte in den Himmel. Das könnte nun auch Trump bevorstehen. In der Tat löst ein solches Geschehen eine starke Solidarisierung aus. In den USA hat sich Joe Biden umgehend zu Wort gemeldet und den direkten Kontakt mit Trump gesucht, der zunächst „bei seinen Ärzten“ war. Später sprachen die beiden Präsidenten miteinander. Biden auf X: „Für diese Art von Gewalt gibt es in Amerika keinen Platz. Wir müssen uns als eine Nation vereinen, um sie zu verurteilen.“ Biden will sogar für Trump gebetet haben. Und so kitschig uns Europäern das vorkommen mag, so bemerkenswert ist es.
Am Montag beginnt der offizielle Wahlkampf der Republikaner. Die Signale sind nunmehr eindeutig, dass alles wie geplant stattfinden soll. Und das Ereignis ist sicher nicht allmächtig, aber es wird doch eine Veränderung der politischen Rhetorik auch auf der Linken und in den Medien zur Folge haben. Eben diese Welle könnte die Trump-Kampagne durchaus zu einer „Normalisierung“ nutzen.
Noch eindrucksvoller ist die Reaktion der internationalen Politik. Für die internationale Polit-Gemeinde ist das Attentat eine Gelegenheit, Trump quasi in ihren Reihen willkommen zu heißen. Unmittelbar wurde in Ottawa, London, Paris und Berlin die Notwendigkeit erkannt, auf den Angriff zu reagieren, obwohl Trump doch gestern noch ein Aussätziger war und auch heute kein offizielles Amt innehat. Aber der Angriff auf einen Politiker passte gewissermaßen ins eigene Narrativ, dass die eigene Kaste (Politiker und Weltlenker) immer mehr Angriffe hinzunehmen habe. Nun ist einer, der gar nicht so richtig zu dieser Polit-Kaste gehört, buchstäblich unter Beschuss geraten. Auch das war kein Zufall.
Die politische Klasse muss den politischen Anschlag anerkennen
Sogar der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der mit Trump noch nie auf einen grünen Zweig kommen konnte oder wollte, schrieb: „„Die Schüsse auf den ehemaligen Präsidenten Trump machen mich krank.“ Interessanterweise ähnelte seine Wortwahl der von Joe Biden. Wo der US-Präsident den Vorfall „krank“ (sick) fand, da war Trudeau „sickened“ durch ihn.
Davor hatte schon Ex-Präsident Barack Obama von „politischer Gewalt“ gesprochen. Das ist das Einheits-Framing, das dem Geschehen nun verpasst wird. Und sicher, was wäre „politische Gewalt“ wenn nicht dies? Ein Mordversuch, der explizit auf den politischen Überzeugungen eines 20-Jährigen beruht.
Und im Hintergrund steht natürlich eine jahrelange Hetzkampagne linker oder Mainstream-Medien gegen Trump, in der er wohl unzählige Male als der Beelzebub der amerikanischen Demokratie schlechthin hingestellt wurde, so dass sich seine Unterstützer noch heute rechtfertigen müssen, sie wünschten sich doch nur ein funktionierendes Land, mit guten Werten und einer guten Wirtschaft. Von den Niederlanden aus bemerkte Geert Wilders diese Diskrepanz: „Die Hass-Rhetorik vieler linker Politiker und Medien, die rechte Politiker als Rassisten und Nazis bezeichnen, bleibt nicht ohne Folgen. Sie spielen mit dem Feuer.“
Nigel Farage kann dies als Oppositionspolitiker nicht viel deutlicher ansprechen, verweist auf einen …, der explizit die Erschießung Trumps vorschlug, damit Biden die Wahlen gewönne.
Europa: Von „schockierenden Szenen“ bis zum „Drama für die Demokratien“
Abstufungen der Anteilnahme finden sich auf dem europäischen Kontinent. Der britische Premier Keir Starmer spricht ähnlich wie die US-Demokraten pauschal von „politischer Gewalt“ und „schockierenden Szenen“, von denen er entsetzt sei. Noch 2018 hatte Starmers jetziger Außenminister, David Lammy, Trump als „Soziopath mit Neonazi-Sympathien“ bezeichnet. In Starmers Reaktion deutet sich insofern auch eine Wende der Labour-Position zu Trump an.
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem „Anschlag“ und fand in einem nur leicht hölzern wirkenden Statement zu den Worten: „Solche Gewalttaten bedrohen die Demokratie.“ Politische Attentate gegen Nicht-Sozialdemokraten sind also auch schlimm für die Demokratie. Wie fortschrittlich von Olaf Scholz, wie sehr emanzipiert von einem SPD-Schnack, der so etwas eigentlich unter „ferner liefen“ einordnet. Aber offenbar geht auch Scholz davon aus, dass er mit diesem Donald Trump noch einiges zu tun haben wird in seiner eigenen Restlaufzeit. Da kann man schon einmal vorbauen und Solidarität zeigen.
Am französischen Nationalfeiertag musste auch der alte Trump-Kumpel Emmanuel Macron sich ein Statement abringen, der eindeutiger als Scholz von einem „Mordversuch“ an Trump schreibt. Außerdem weiß Macron im Gegensatz zu Scholz davon, dass ein Trump-Unterstützer durch die Kugeln den Tod fand und mehrere erheblich verletzt wurden. Das Ganze sei „ein Drama für unsere Demokratien“. Frankreich teile den „Schock und die Empörung des amerikanischen Volkes“.
Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni kommentierte das Geschehen in zwei längeren Tweets, in denen sie hervorhob, dass die „politische Debatte“ gewisse Grenzen nicht überschreiten dürfe, „unabhängig von der politischen Ausrichtung“. Es gelte der Politik „Würde und Ehre zurückzugeben, gegen alle Formen von Hass und Gewalt, und zum Wohle unserer Demokratien“.
Mileis Kommentierung weist auf etwas Tieferliegendes hin
Der argentinische Präsident Javier Milei kritisierte den Mordanschlag mit nicht gesehener Schärfe und (vielleicht) Tiefensicht. Die „internationale Linke“ sei heute „bereit, Demokratien zu destabilisieren und Gewalt zu fördern, um sich an der Macht festzuschrauben. In ihrer Panik, an den Wahlurnen zu verlieren, greifen sie zum Terrorismus, um ihre rückschrittliche und autoritäre Agenda durchzusetzen.“
Milei wies daneben darauf hin, dass namhafte US-Medien unmittelbar nach dem Mordversuch von einem „Fall“ Donald Trumps auf der Bühne sprachen (CNN), auch von rätselhaften „Knallgeräuschen“ war durchaus die Rede (MSNBC) oder schlicht von „Chaos“ (NYT).
Die Reaktionen zeigen: Der Anschlag auf Trump könnte ein Wendepunkt in dieser von Milei erzählten Geschichte sein. Er könnte für viele das Ende jener einseitigen „Dämonisierung“ der politischen Rechten einläuten und die Karten an dieser Stelle zumindest etwas gerechter verteilen. Darauf weisen auch die – wohl unvermeidlichen – Solidaritätsadressen jener Staats- und Regierungschefs hin, die Trump sonst nicht wohlgesonnen waren.
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