Tichys Einblick
Muss Döring weiter schweigen?

Die „Fördergeld“-Affäre geht in die nächste Runde

Nachspiel in der Causa der geschassten Staatssekretärin Döring: sie darf auf Geheiß von Ministerin Stark-Watzinger nicht mehr über die Prüfung von Fördergeldern reden, die sie angeregt hatte. Die Beamtin will dagegen gerichtlich vorgehen.

picture alliance/dpa | Harald Tittel

„Fördergeld“-Affäre: Was war das eigentlich los? Oder ist es nur eine Posse, die eine Bundesbildungsministerin überfordert? Hier in Kurzfassung das Geschehen:

Die Posse dürfte damit nicht beendet sein. Thomas Jarzombek, bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, schrieb auf X: »Stark-Watzinger hat Recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss den Schritt nun selbst vollziehen.« Auf der Plattform X verteidigte der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion die Forderung. „Es ist notwendig, dass auch Frau Prof. Döring ihre Sichtweise darstellen kann.“ Wenn es nichts zu verbergen gebe, sollte es keine Herausforderung für das Bildungsministerium und Stark-Watzinger sein, dies zu erlauben. Sabine Döring indes will per Gericht erstreiten, dass sie vom Schweigegebot entbunden wird.

Stark-Watzinger versucht derweil den Spagat. Am 7. Juli erklärt sie, es mache sie »bis heute fassungslos«, wie einseitig im Brief der Hochschullehrer der Terror der Hamas ausgeblendet werde. »Und wie dort etwa pauschal gefordert wurde, Straftaten an den Universitäten nicht zu verfolgen, während gleichzeitig antisemitische Volksverhetzung und gewalttätige Übergriffe gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zu beobachten sind.« Sich mit einer solchen Wortmeldung kritisch auseinanderzusetzen, sei legitim. Gleichzeitig sei auch klar, dass die Wissenschaftsfreiheit ein sehr hohes Gut und zu Recht verfassungsrechtlich geschützt sei: »Wissenschaftsförderung erfolgt nach wissenschaftlichen Kriterien, nicht nach politischer Weltanschauung.« Und weiter: »Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt.« Durch Dörings Handeln, so Stark-Watzinger, sei jedoch ein anderer Eindruck entstanden – weshalb die Staatssekretärin nun haben gehen müssen.

Apropos „den Kanzler um Dörings Versetzung in den Ruhestand gebeten“: Diese Versetzung nimmt der Bundespräsident vor. Dazu bedarf es keiner Begründung.

Im BMBF seit zwei Jahren ein chaotisches Personenkarussell

Personalpolitisch geht es im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) drunter und drüber, seit Bettina Stark-Watzinger (FDP, 56) das Ministeramt am 8. Dezember 2021 übernommen hat. Die jüngste Station im Stellenkarussell: Am 16. Juni 2024 hat Bildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) ihre beamtete Staatssekretärin Sabine Döring spontan und nach nur 16-monatiger Amtszeit entlassen (siehe oben). Sabine Döring war erst am 1. Februar 2023 Staatssekretärin geworden, nachdem die Vorgängerin Kornelia Haug zum 1. Februar 2023 nach mehr als 30 Jahren BMBF-Tätigkeit, aber nur 14 Monaten in diesem Amt, ausgeschieden und „wie geplant“ in den Ruhestand eingetreten war. Nachfolger von Sabine Döring wird Roland Philippi, FDP-Parteifreund aus Hessen. Philippi (41) war Ende 2021 als Leiter der Grundsatzabteilung (Abteilung 1) ins Ministerium geholt worden; zuvor hatte Philippi als Büroleiter der vormaligen hessischen Kultusministerin und früheren FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gearbeitet.

Bereits zwei Jahre zuvor, am 3. Juni 2022, hatte der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Sattelberger (FDP, damals 73) nach nicht einmal ganze acht Monaten „aus gesundheitlichen und privaten Gründen“ seinen Rücktritt vollzogen. Er wurde ersetzt durch FDP-MdB Mario Brandenburg (40) – namensgleich mit dem anderen, seit 8. Dezember amtierenden, anderen Parlamentarischen Staatssekretär des BMBF, Jens Brandenburg (38), der seit 2017 ebenfalls MdB der FDP ist. Bereits zum 1. Januar 2023 hatte Stark-Watzinger zwei zentrale Spitzenbeamte entlassen und neue eingestellte. Sabine Döring war übrigens ab 2008 Professorin auf den Lehrstuhl für Philosophie (mit dem Schwerpunkt Praktische Philosophie) an die Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Rede und Antwort stehen muss auf alle Fälle die Ministerin selbst. Fragen über Fragen: Etwa ob Sabine Döring nicht doch im Interesse der Ministerin gehandelt hat? Oder noch grundsätzlicher die Frage: Fällt das Beschweigen von propalästinensischen Gewalttaten auch unter Wissenschaftsfreiheit?

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