Tichys Einblick
Macron, der Zauberlehrling

Die Geburt der zweiten Pariser Kommune

Macron entpuppt sich als Zauberlehrling, der die linken Geister, die er gerufen hat, nicht mehr loswird. Eine Niederlage für den RN war die Wahl nicht – in Wirklichkeit kann es für Marine Le Pen nicht besser laufen. Für Frankreich sieht das anders aus.

picture alliance/dpa/MAXPPP | Jan Schmidt-Whitley/Le Pictorium

Der große Verlierer heißt Emmanuel Macron. Republikaner und Rassemblement National mögen heute Abend in Katerstimmung vereint sein. Strategisch gesehen konnte Marine Le Pen nichts Besseres passieren.

Denn Macrons Trick ist gleich zweifach nach hinten losgegangen. Vorgezogene Neuwahlen sollten ihm Luft verschaffen. Dass dies nicht passiert, war schon vorher absehbar.

Auch die Taktik, bei einem Wahlsieg den RN in die Pflicht zu nehmen, und ihn zwei Jahre lang regieren zu lassen, um ihn dann als Sündenbock zu verwenden, geht offenbar nicht auf. Eigentlich sollten damit Le Pens Präsidentschaftshoffnungen begraben werden.

Nun hat Macron ein doppeltes Problem. Nämlich nicht die verfemten Rechten, sondern die Linksradikalen haben – dank seiner umfassenden Hilfe und den üblichen Taktiken bei der Aufstellung von Wahlkreiskandidaten – sich als stärkste Kraft etabliert. Die Jakobiner sind zurück, und der Sonnenkönig höchstpersönlich hat sie nach Versailles eingeladen.

Wer die linken bis linksextremen Gruppen verfolgt hat, die sich im Wahlkampf positionierten, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Erben der Pariser Kommune den Durchbruch erreicht haben. Um sich eines Dämons zu erwehren, hat das Pariser Establishment den Oberteufel persönlich herbeigerufen.

Macron steht jetzt unter noch größerem Druck als zuvor. Durch Berufung der Rechten wollte er diese kleinhalten. Jetzt muss er sich mit den Linken arrangieren – die bereits nach einer Regierung rufen und vom Dekret Gebrauch machen wollen. Frankreich hat nun seinen Movimento-5-Stelle und Syriza-Moment am selben Tag. Und wenn Macron sich wehrt, dann wird die Linke die Straße mobilisieren, so, wie sie es schon über Jahre getan hat.

Le Pen kann sich zurücklehnen. Es gibt jetzt nur zwei Optionen. Linkes Chaos oder eine noch größere Unregierbarkeit als zuvor. 2027 wird der RN als bürgerliche Alternative neben dem abgehalfterten Macron und den Kommunarden stehen. Das ist gut für den RN, aber schlecht für Frankreich – was auch immer davon 2027 übriggeblieben ist.

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