Vor einem Altenheim im Rheinland steht ein Schaukasten der evangelischen Kirche. Darin hängt seit einigen Wochen ein Plakat mit dem Slogan: „Unser Kreuz hat keine Haken“. Viele evangelische Kirchen haben sich dieses Motto zu eigen gemacht, um damit offen und ungeschminkt in die Europawahl gegen die AfD einzugreifen und um damit gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen zu protestieren.
Leider kann ich als evangelischer Christ in diesen nahezu monotonen evangelischen Chor nicht einstimmen. Bei genauerem Hinsehen erschrecken mich die Haken an dieser Ausrichtung der Kirche.
Der erste Haken der Kirche: Menschen in einem Altenheim brauchen seelische Unterstützung und nicht politische Phrasen.
Die Bewohner im Altenheim sind auf der letzten oftmals schweren Runde in ihrem Lebenslauf. Sie sind konfrontiert mit Leid und Tod, unerfüllt gebliebenen Lebenswünschen und zwischenmenschlichen Brüchen. Auch Angehörige und Mitarbeiter gehen oft auf dem Zahnfleisch, tief betroffen von persönlichen Schicksalen und dem gesellschaftlichem Pflegenotstand. Im Schaukasten kommuniziert die Kirche, dass ihr wichtigstes Anliegen nicht die Seelsorge und die Verkündigung der frohen Botschaft ist, sondern die linksgrüne Bekämpfung der AfD.
Statt auf die göttlichen Quellen der Versöhnung, des Loslassens, des Trostes, der Stärkung und der Hoffnung hinzuweisen, macht die evangelische Kirche in braver Gleichschaltung mit beim „Kampf gegen Rechts“. Durch diesen „Kampf gegen Rechts“, was damit auch immer gemeint sein mag, spielt die kulturhegemoniale Elite nur noch mit der linken Hand Klavier und scheint gar nicht mehr mitzubekommen, dass das Ergebnis ziemlich jämmerlich klingt.
Der zweite Haken der Kirche: Kirche macht sich selber mit diesem Slogan zu einer arroganten Pharisäerkirche.
„Unser Kreuz hat keine Haken“ posaunt die Kirche selbstherrlich in die Welt. Zwischen den Zeilen hat die Kirche die Rollen damit klar verteilt: „Wir Kirchenleute sind die Guten mit dem guten Kreuz. Und die AfDler sind die Bösen mit dem Hakenkreuz.“
Jesus hatte dieses arrogante Gutmenschentum im Blick, als er folgendes Gleichnis erzählte: „Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner da drüben.“ (Lukas 18,10ff).
Jesus ist mit solcher moralisch-spirituellen Schwarz-Weiß-Arroganz nicht zimperlich umgegangen: „Wehe euch, ihr Gutmenschen, die ihr seid wie ein herrschaftliches Luxusgrab, von außen hübsch anzusehen, aber innen ist es voller Totengebeine und Verwesung“ (Matthäus 23,27).
Der dritte Haken der Kirche: Kirche verliert in ihrer Selbstarroganz den nüchternen Blick für die Realität.
Das kirchliche Schwarz-Weiß-Denken verhindert differenzierte Wahrnehmung und konstruktiven Austausch. Im Parteiprogramm und im Personal der AfD ist, auch wenn man die Partei kritisch sieht, manches Weiße zu finden. Und in der Kirche und der Demobewegung gegen den Bundesparteitag der AfD findet sich auch Schwarzes. Einige Beobachter erkennen in den gewaltbejahenden Methoden der Antifa sogar die Methoden der SA in der Nazizeit. Wenn Kirche sich damit naiv solidarisiert, zieht sie sich selber in den Schmutz. Sie verliert den nüchternen Abstand zum politischen Geschehen, der ihr guttun würde.
Stattdessen ist die offizielle Kirche in Hass und Hetze gefangen und skandiert mit der Antifa auf der Anti-Bundesparteitags-Demo: „Ganz Essen hasst die AfD“. Dadurch kann die Kirche nicht mehr wahrnehmen, dass die meisten Kritiker der deutschen Migrationspolitik nicht fremdenfeindlich, sondern lediglich überfremdungsfeindlich sind. Wo genau die Grenze zwischen beidem verläuft, dazu braucht es den offenen demokratischen Diskurs, zu dem die demokratiezerstörende Kirche mit ihrer plumpen Schwarz-Weiß-Denke leider nicht mehr fähig zu sein scheint. Auf die Heilige Schrift kann sich die evangelische Kirche dabei nicht berufen, denn die Bibel warnt in dem Buch Esra 10,1-44 vor selbstzerstörerischer Überfremdung.
Der vierte Haken der Kirche: Die Kirche verharmlost den Nationalsozialismus.
Man kann von Alice Weidel und Tino Chrupalla halten, was man möchte. Aber sie mit Hitler und Göring gleichzusetzen, was der kirchliche Slogan indirekt tut, wird der Geschichte in keinster Weise gerecht.
Viele evangelische Christen und auch viele AfDler beteiligten sich an den Mülheimer Montagsspaziergängen gegen die Impfpflicht mit einem unausgegorenen Impfstoff. Das Motto lautete: „Für ein achtsames Miteinander von Geimpften und Ungeimpften.“ Dabei skandierten sie immer wieder „Frieden, Freiheit, Demokratie“. Wenn das in der kirchlichen Propaganda pauschal als „Nazi“ diffamiert wird, dann sollte sich die Kirche nicht wundern, wenn unter anderem durch ihren hyperinflationären Gebrauch des Nazibegriffs dieser mittlerweile wertlos geworden ist.
Der Theologieprofessor Joseph Ratzinger hat die uralte Christenweisheit 1970 so auf den Punkt gebracht: „Eine Kirche, die in politischen ‚Gebeten’ den Kult der Aktion feiert, brauchen wir nicht. Sie ist ganz überflüssig. Und sie wird daher ganz von selbst untergehen.“