Potenzielle Allianz der Bedrohten. Europa betroffen.

Die Regierung Obama ließ den alten US-Verbündeten Israel, Saudi-Arabien und Ägypten mit ihrer schwankenden Politik keine Alternative, als nach neuen Konstellationen zu suchen.

© Chip Somodevilla/Getty Images
Mohammed bin Salman escorted by U.S. Deputy Chief of Protocol Mark Walsh as they walk into in the White House on June 17, 2016 in Washington, DC

Wenn Amerika hustet, drohen seine Verbündeten in Europa und Asien an Lungenentzündung zu erkranken. Aufgrund der politischen und strategischen Macht der Vereinigten Staaten zieht ein politischer Umbruch dieses Landes Umwälzungen in aller Welt nach sich. Besonders sensibel reagiert der Nahe Osten auf die Politik des Weißen Hauses. Da dies Europas Vorhof und Rohstofflager ist, sollten wir aufmerksam den politischen Gezeitenwechsel an unserer Süd- und Südostflanke beobachten und entsprechend handeln. Denn wenn die Stabilität in dieser zumeist arabischen Region weiter verloren geht, wie der syrische Bürgerkrieg zeigt, sind die Auswirkungen speziell in unserem Erdteil erheblich. Die massiven Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland sind lediglich ein Vorgeschmack auf die Gefahren, die Europa aus dieser Region drohen.

Die Verbindungen einzelner Staaten und politischer Bewegungen aus dem Nahen Osten zu den Vereinigten Staaten reichen ein Jahrhundert zurück. Die jüdische Gemeinde der USA ist traditionell ein entscheidender Teil des Zionismus, also der Bestrebung zur Schaffung eines unabhängigen hebräischen Staates im Heiligen Land.

Zudem besteht seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts eine einzigartige Verbindung zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien. Sie wurde 1945 zwischen Präsident Franklin Delano Roosevelt und dem saudischen König Abdul Aziz Ibn Saud bestätigt. Der Monarch, der die arabische Halbinsel vereinigte und ihr seinen Familiennamen gab, räumte den USA faktisch ein Monopol für die Erdölgewinnung ein. Washington versprach im Gegenzug für die Sicherheit der wahabitischen Monarchie zu sorgen. Das Agreement zum beiderseitigen Nutzen trotzte allen politischen Wechseln in Washington und den Kriegen in Nahost.

2009, nach dem Amtsantritt Barack Obamas, kam es jedoch für Riad zu einem überraschenden Paradigmenwechsel. Höflich, doch unverkennbar, löste Washington seine politischen Bindungen zu Riad und knüpfte zunehmend Bande zum Mullah-Regime in Teheran. Berater von Präsident Obama empfahlen, den strikten Boykott des Iran aufzubrechen, den Washington nach der Radikalisierung des Teheraner Regimes und der Geiselnahme von Amerikanern in der US-Botschaft ab 1979 eingeschlagen hatte. Damals froren die USA die Guthaben Teherans in Amerika ein und bewogen die übrigen Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft ihrem Beispiel zu folgen.

Die Obama-Administration setzte neue Prioritäten. Der demokratische Präsident war mit dem Versprechen angetreten, die militärische Intervention der USA in Afghanistan und Irak zu beenden. Um dies unter Wahrung seiner Interessen zu ermöglichen, wähnte sich Washington auf eine Zusammenarbeit mit Iran angewiesen. Derweil betreibt das Mullah-Regime seit Jahren einen massiven Aufbau eines Atomwaffenprogramms. Iran fordert offen, Israel müsse „von der Landkarte verschwinden“. Zu diesem Zweck unterstützte und unterstützt Teheran terroristische Gruppierungen wie die schiitische libanesische Hizbollah, aber auch sunnitische Untergrundverbände wie die Hamas und jihadistische Verbände in der islamischen Welt durch Geld, Waffen und Logistik. Neben Angriffen gegen Israel agieren diese Verbände auch gegen Ägypten, im syrischen Bürgerkrieg sowie gegen Saudi-Arabien.

Obama und Clinton machten eine Annäherung von Israel und Saudi-Arabien möglich

Die Wahl des Republikaners Donald Trump bedeutet für die konservativen Staaten des Nahen Ostens eine unverhoffte Chance. Gemäß der orientalischen Devise „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ bahnen sich im Orient neue stillschweigende Allianzen an. Etwa eine Interessengemeinschaft zwischen Israel und Saudi-Arabien, die das Potential besitzt, zur Beilegung des mehr als 70 Jahre währenden arabisch-israelischen Konfliktes beizutragen.

Noch vor wenigen Jahren erschien es undenkbar, dass eine saudi-arabische Delegation, angeführt von einem ehemaligen General, Anwar Eshki, den jüdischen Staat besucht und dort Möglichkeiten zur Kooperation erörtert. Das Königreich Saudi-Arabien, das als Bewahrer der heiligen islamischen Stätten in Mekka und Medina sowie als größter Öl exportierender Staat ein Schlüsselstellung in der moslemischen Welt inne hat, war gegenüber Israel feindlich eingestellt.

Dieser Antagonismus löst sich im Interesse der beteiligten Parteien auf. Denn die Regierung Obamas ließ den alten US-Verbündeten Israel, Saudi-Arabien und Ägypten infolge ihrer schwankenden Politik keine Alternative, als sich nach neuen Konstellationen umzusehen.

Obamas erste Außenministerin Hillary Clinton startete die atomaren Abrüstungsverhandlungen mit Iran. Beteiligt waren auch die übrigen ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder sowie Deutschland. Im Sommer 2015 einigten sich die Mächte mit Teheran auf ein nukleares Abrüstungsabkommen. Der Vertrag sah ein Einfrieren der atomaren Aktivitäten Teherans ausschließlich durch technische Maßnahmen vor. Doch die entscheidende politische Aussage fehlt, die in jedem internationalen Abkommen das Kernstück ist: die Anerkennung des Existenzrechts aller Staaten –speziell in der Region. Da sich Teheran in diesem entscheidenden Punkt weigerte, verzichteten die Vertragspartner hierauf. Das Mullah-Regime kann ungehindert seine Feindschaft gegen Israel, Saudi-Arabien und Ägypten fortführen. Dies ist der Grund, weshalb diese Staaten das Nuklearabkommen vehement bekämpfen.

Seit der Vertragsunterzeichnung verstärkt Iran in Jemen seine Unterstützung für die Huthi-Rebellen. Die bewaffnete schiitische Minderheit kämpft um die Macht in ihrem Land und führt zugleich einen Zermürbungskrieg gegen den nördlichen Nachbarn Saudi-Arabien. Riad reagiert darauf massiv.

Teherans strategisches Ziel ist eine schiitische Dominanz der islamischen Welt. Dagegen wehren sich die sunnitischen Saudis. Sie wollen nicht verstehen, dass Washington sich gegen seine bewährten nahöstlichen Verbündeten wendet. Zudem vollzieht sich seit der Inthronisation des saudischen Königs Salman im Januar 2015 in Saudi-Arabien ein strategischer Kurswechsel. Vordenker des Umbruchs ist Vizekronprinz Mohammed, der Sohn des Königs. Mohammed hat erkannt, dass die Volkswirtschaft des Königreichs auf Dauer nicht allein vom Erdöl abhängig bleiben darf. So entwickelte der starke Mann der Monarchie mit seinen Mitarbeitern die Agenda 2030. Sie hat ein revolutionäres Ziel: Innerhalb von knapp 15 Jahren soll die Volkswirtschaft des Landes weitgehend unabhängig vom Rohölexport werden. Entwickelt werden sollen vor allem die chemische Petro-Industrie, die Landwirtschaft und der Tourismus. Internationale Investitionen sollen ausgebaut werden.

Für diese Pläne braucht Saudi-Arabien äußeren und inneren Frieden. Dieser ist nicht nur nach der Einschätzung Riads durch Iran bedroht. Diese Sicht wird auch von dem angesehenen britischen Magazin Economist geteilt. Vor allem das Umschwenken Washingtons zu Iran beunruhigt die saudische Führung. „Das widerspricht den Interessen der USA, gefährdet uns und die gesamte Region. Wir sind eine Macht der Stabilität, wir modernisieren unser Land. Mit der Agenda 2030 wollen wir unsere Abhängigkeit vom Öl reduzieren. Iran dagegen will einen Umsturz in unserer Weltgegend“, sagt ein hoher saudischer Vertreter und verweist auf „unser immenses wirtschaftliches Potential“.

Saudi-Arabien und Israel hoffen, dass sich Präsident Trump auf die bewährten US-Verbündeten besinnt. Derweil loten die Nahostmächte Möglichkeiten einer Zusammenarbeit aus. Europa tut gut, sich auf diese Entwicklung einzustellen. Denn die Golfstaaten sind schwergewichtige Handelspartner, hier verlaufen internationale Seewege und hier ruhen gewaltige Energiereserven: Öl, Gas und Sonne.

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