Johannes Wagner ist ein Bundestagsabgeordneter, der in den letzten Tagen an Reichweite gewonnen hat. Während Gesundheitsminister Karl Lauterbach das Zentrum im Kampf für den Hitzeaktionsplan übernimmt, deckt Wagner die grüne Flanke ab. In der Öffentlichkeit ist er in den letzten Tagen deswegen aufgefallen, weil er das Thema „Hitzeschutz“ mit der Verkehrs- und Mobilitätswende verbunden hat. Gegenüber t-online sagte Wagner, dass bauplanerische Maßnahmen „entscheidend“ seien. Öffentliche Plätze müssten entsiegelt, Fassaden und Dächer begrünt, Bäume erhalten und neu gepflanzt werden. „Das kann auch mal bedeuten, dass ein Parkplatz einem Baum weichen muss“, erklärte Wagner gegenüber dem Portal. „Das ist eine Frage der Lebensqualität, aber auch des Überlebens, da die Hitze in Städten tödlich sein kann.“
Sieht man sich die anderen Aktivitäten des grünen Arztes an, so fallen zwei NGOs auf: die Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Bleiben wir zuerst beim VCD. Er hat bereits in älteren Berichten eine Rolle als autofeindlicher Verein gespielt, der die Aktivitäten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unterstützt und die Verkehrs- bzw. Mobilitätswende vorantreibt. Er hat zwei bekannte Mitglieder, die Assoziationen wecken dürften. Da ist einerseits der ehemalige Bundesvorsitzende Rainer Graichen, der Vater von Patrick Graichen. Graichen Senior machte sich für Warnhinweise bei der Autowerbung stark: „Autofahren gefährdet ihre Gesundheit und schädigt die Umwelt“.
Das andere bekannte VCD-Mitglied ist Jochen Flasbarth. Flasbarth war Mitbegründer des VCD und langjähriger Präsident des NABU, bis ihn Jürgen Trittin 2003 ins Bundesumweltministerium holte, wo Staatssekretär Rainer Baake mit seinem Persönlichen Referenten Patrick Graichen wartete. Flasbarth wurde später Präsident des Umweltbundesamtes und anschließend Staatssekretär. Er sitzt in den Räten der Agora Energiewende, der Agora Verkehrswende und der Agora Agrar. Flasbarth kann als eine Schnittstelle der grünen NGOs in den Ministerien betrachtet werden, die seit 20 Jahren in verschiedenen Positionen der Exekutive dient. Politiker kommen und gehen, Flasbarth bleibt.
Es verwundert also nicht, wenn Wagner den Hitzeschutz mit Verkehrspolitik verbindet. Dass der Hitzeschutzplan damit auch als Vorwand genommen wird, Straßen zu „beruhigen“, Parkplätze verschwinden zu lassen und Asphalt rückzubauen, ist demnach Programm. Die Grünen haben offenbar ganz eigene Vorstellungen, den Hitzeschutzplan klimapolitisch auszunutzen. Wie am 26. Juni beschrieben, sind auch das Verkehrs- und Bauministerien in der Arbeitsgruppe zum Nationalen Hitzeplan involviert. Ricarda Lang hat auf Twitter am selben Tag von einer „erhöhten Gesundheitsgefahr“ durch steigende Hitze gesprochen und neben „Akutmaßnahmen“ den „Umbau unserer Städte“ gefordert.
Die KLUG-Mitgliedschaft von Wagner verwundert nicht, angesichts der Tatsache, dass KLUG als einer der Initiatoren des Projekts hinter den Kulissen gilt – und auch nicht, dass KLUG von denselben Stiftungen Geld erhält, die auch die Agora ins Leben gerufen haben. Mit der Förderung durch die Mercator Stiftung und der European Climate Foundation reiht sich die Organisation in den Komplex der Öko-Lobby ein.
Johannes Wagner ist nicht der einzige bekannte Grüne im Verein, der vor Hitze schützen will. Im Vorstand von KLUG sitzt Thomas Götz, der bis April 2023 als Staatssekretär für Gesundheit und Pflege sowie Amtschef der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung des Landes Berlin fungierte. Zum Team gehört Lisa Pörtner. Sie ist seit 2022 bei KLUG. Im selben Jahr wurde sie auch wissenschaftliche Mitarbeiter bei der Charité und Postdoctoral Researcher (Gast) beim Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK); das bekanntlich wiederum mit der Mercator Stiftung das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gegründet hat. Ottmar Edenhofer ist Direktor des PIK und des MCC.
Es gibt allerdings noch eine andere, deutlich bekanntere Persönlichkeit, die mit KLUG und Mercator zusammenhängt. Es handelt sich um Eckart von Hirschhausen. Dessen eigene Stiftung, Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen, zählt drei Förderer auf: Die Bill & Melinda Gates Stiftung, Mercator und die European Climate Foundation. Mercator hat an diese Stiftung allein für den Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2023 stolze 780.000 Euro bewilligt. Die Stiftung existiert seit 2020.
Hirschhausens Stiftung ist nicht nur in einem Bündnis mit Fridays For Future, sondern auch mit Health for Future – einer KLUG-Gründung. Die GEGM weist daraufhin, dass sie Mitglied bei KLUG ist, sowie der Klima-Allianz Deutschland, der KLUG ebenfalls angehört. Hirschhausen ist demnach nach seiner Aktivität in der Corona-Krise auch dieses mal wieder an vorderster Front dabei. Er hält nicht nur Vorträge bei KLUG, sondern tritt auch bei Mercator selbst immer wieder auf. International wirbt eine Broschüre mit Hirschhausens Auftritten in deutschen Talksendungen und der Tagesschau in Corona-Zeiten.
Hirschhausens Eintreten für eine „Gesunde Erde“ erinnert stark an das bereits vorgestellte Konzept von „Planetary Health“; das wiederum ein Kernpunkt der KLUG-Denkfabrik Center for Planetary Health Policy (CPHP) ist. Die GEGM und KLUG gehören beide der Planetary Health Alliance an. Die englische Übersetzung der Stiftung knüpft daran an: sie nennt sich „Healthy Planet – Healthy People“ und nicht etwa „Healthy Earth“. Die Vernetzung der GEGM zeigt Hirschhausen in einer englischen Broschüre ganz offen an.
Eine Anfrage des wirtschaftspolitischen Sprechers der AfD, Leif-Erik Holm zeigt, dass KLUG nicht nur beratend bei Gesprächen für den Hitzeschutzplan mitwirkt. Rund eine halbe Million Euro hat der Verband aus der Bundeskasse in den letzten fünf Jahren erhalten. Dabei ist nicht die Summe so bezeichnend, sondern die Aufträge selbst. So erhielt KLUG eine Projektförderung von rund 90.000 Euro „HOT BW – Hitzeaktionsplan Öffentlicher Gesundheitsdienst Baden-Württemberg“. Wohlgemerkt: nicht das Land hat KLUG dafür bezahlt, sondern der Bund. In Berlin finanziert man demnach bereits einen „Testballon“; bevor Lauterbach in den letzten Wochen aktiv geworden ist.
Zugleich zeichnen die insgesamt 11 Aufträge ein interessantes Bild davon, wie lange und in welchem Ausmaß das Thema „Hitze“ von der Bundesregierung als „Problemthema“ wahrgenommen wird und wie dem Problem entgegengetreten werden soll. Kostproben: „Hitzeschutz am Arbeitsplatz“, „Hitze als Gesundheitsrisiko bei der Arbeit – Was jetzt konkret zu tun ist“ oder „Transformative Arztpraxen – Klimasprechstunde“. Letzteres wurde mit immerhin weiteren rund 90.000 Euro vergütet.
Das Projekt zeigt demnach bereits zwei Seiten. Einerseits beginnen die NGOs, ein neues Thema als Geldquelle zu erschließen. Andererseits soll unter dem Deckmantel des Hitzeschutzes die grüne Agenda durch die Hintertüre lanciert werden – Stichwort Verkehrswende. Holm warnt deswegen davor, dass sich der nationale Hitzeaktionsplan als „trojanisches Pferd für einen Klimalockdown“ entpuppen könnte. Der Hitzeaktionsplan sei „das ideale Einfallstor für die Klima-Lobby“, um ihre üblichen Forderungen und Pläne in neuem Gewand zu präsentieren. „Kein Wunder also, dass hinter KLUG die gleichen Gönner stehen, die schon bei der Agora ihr undurchsichtiges Spiel getrieben haben“, so Holm.
Sobald der nationale Hitzeschutzplan beschlossen sei, würden Forderungen kommen, die „weit über den Schutz von Rentnern und Obdachlosen“ hinausgingen. „Dann heißt es: der beste Hitzeschutz ist Klima-Schutz und schon sind wir ganz schnell wieder bei Verkehrs-, Energie- und Wärmewende, also bei Vorschriften, Vorgaben und Verboten. Kein Wunder, dass die Grünen für Lauterbachs Vorhaben so laut trommeln“, erklärt der Bundestagsabgeordnete.
Die Vehemenz, mit welcher der Bundesgesundheitsminister und insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Thema trotz normaler Sommerwerte hysterisch in den Vordergrund rücken, scheint Holm Recht zu geben. Dabei nimmt es Lauterbach mit seinem eigenen Panikorchester nicht so genau. Hatte er noch vor dem Wochenende Mahnungen und Warnungen ausgesprochen, während Medien wie die Bild mit 40-Grad-Horror hausieren gingen, tummelte sich der Hitzeminister zu besten UV-Werten am Samstagnachmittag in Köln auf dem Christopher Street Day. Boris Johnson hatte wenigstens bis zur Verabschiedung seines eigenen Maßnahmenplans gewartet, um diesen dann mit frivolen Partys zu brechen; Lauterbach feiert die Party, noch bevor der Plan greift.